Niederländische Zwangsarbeiter in Bernte und Elbergen

P. den Besten schreibt an seine Verwandten in der Heimat

Nach der Landung in der Normandie (6.6.1944) wurde bald klar, dass die Invasion der Alliierten nicht mehr zu stoppen war und sie unaufhaltsam auf Deutschland vorrückten.

Zur deutschen Durchhaltepropaganda gehörte der Bau der „Emsstellung“ im Herbst 1944. Dies war ein weitläufiges System von „Panzerabwehrgräben“, mit denen man die Alliierten schon westlich der Ems im Raum Elbergen-Lohne aufhalten wollte.

Da Baumaschinen nicht zur Verfügung standen, mussten tausende von Dienstverpflichteten (Rentner, Frauen, Hitlerjugend usw.) die Gräben mit der Schaufel per Muskelkraft ausheben. So konnte man Aktionismus verbreiten und den Durchhaltewillen stärken.

Als die deutschen Arbeitskräfte nicht reichten, wurden tausende niederländische Zwangsarbeiter eingesetzt, die man im November 1944 bei großen Razzien verhaftet und nach Lingen verschleppt hatte. Sie arbeiteten den ganzen Winter hindurch bis in den März 1945 an den Stellungen und wurden beim Näherrücken der Front nach Norddeutschland verlegt.

Aufgrund baulicher Mängel und fehlender Bewaffnung erwies sich die Emsstellung als völlig unbrauchbar. Sie wurden von der Wehrmacht nie genutzt und von den englischen Panzern bei ihrem Vormarsch noch nicht einmal bemerkt.

Von einem Niederländer in Lingen erhielt das Emslandmuseum die hier dargestellte Postkarte, die P. den Besten Anfang Dezember 1944 an seine Verwandten im niederländischen Kampen schickte. Viele der Zwangsarbeiter beim Bau der Emsstellung stammten aus Kampen und Umgebung.

Der Text wurde aus dem niederländischen Original ins Deutsche übertragen:

Absender
P. den Besten
R.K. Volksschule
Bernte
Kreis Lingen-Ems
Deutschland


Fam. J.F. den Besten
Wiik I-282
Ijsselmuiden
Post Kampen

Bernte, 2/12 - 44

Liebe Eltern,

hier seit einigen Tagen eingelebt, aber noch keine Gelegenheit gehabt zu schreiben. Bernte ist ein Bauerndorf von meiner Schätzung nach rund acht Bauernhöfen. Wim habe ich vergangene Woche Donnerstag Morgen in Lingen gesprochen. Er arbeitet in den Zelten des Lagers. In Lingen hat der Lagerführer von der O.T. [= Organisation Todt] mir auch eine Stellung als Schreiber angeboten, aber ich geh lieber mit den Kameraden in der Gruppe zum arbeiten. Wim wird wohl immer noch in Lingen sitzen. Ich kann nicht zu ihm hin, denn wir dürfen nicht ohne Bewachung weggehen.
Von Rennie weiß ich nichts. Ich hoffe, dass Ihr wohl wisst, wo er steckt.
Das Essen, das wir hier bekommen, ist gut. Den zweiten Tag als wir hier waren hatten wir Huhn und Hasenwild, die überigen Tage Suppe und Fleisch mit Erbsen. Auch bekommen wir abend immer einen Brei, der auch sehr gut ist.
Zu Hause ist, wie ich hoffe, alles noch gut, nicht? Jassie und Gesje werden uns wohl vermissen, aber vielleicht dürfen wir ja bald wieder nach Hause.
Da ich keinen Platz mehr habe, muss ich aufhören.

Herzlichen Gruß und auf baldiges Wiedersehen


P. den Besten.

Dass den Besten hier das gute Essen lobt, ist offenbar der Zensur der Postkarten durch die deutschen Ausseher geschuldet. Johannes Muis schreibt in seinem Bericht aus Wachendorf über die sehr unzureichende Verpflegung, nicht nur für die Zwangsarbeiter, sondern auch für die dort ebenfalls zwangsverpflichteten Volkssturmmänner.