Oberschüler und Reisende mit großem Durst

Gasthäuser im alten Schapen

Schapener Honoratioren bei einer Altbierrunde „Oaldbeer“ am „12.4.1898“ . Der § 11 stammt aus den Trinkregeln der Burschenschaften und bedeutet: es wird weitergesoffen! – Na dann prost!

Oberschüler und Reisende haben bekanntlich immer großen Durst. Und beide Gruppen kam im alten Schapen häufig zusammen. Denn das Dorf

Die Gaststätten Kellerwessel, Wienkamp und Düsing auf einer Ansichtskarte von 1901

an der alten Handelsstraße von Osnabrück über Lingen in die Niederlande war Heimatort zahlreicher Wanderkaufleute, die im 19. Jahrhundert eine bekannte Handelsschule mit Internat gründeten. An den Wochenenden hatten die Schüler Ausgang und meistens auch Durst. Die Kaufleute feierten in den Wintermonaten im Heimaturlaub rauschende Feste in den Gasthöfen des Ortes. Zehn an der Zahl gab es davon im beschaulichen Schapen – allerdings nicht alle gleichzeitig. Michael Merscher und Andreas Eiynck haben sich mit Ludger Meyer vom örtlichen Heimatverein auf eine Kneipentour begeben, die in diesen Tagen freilich überschaubar verläuft.

Das Kneipensterben in einem emsländischen Dorf hat Ludger Meyer selber miterlebt. Sein Stammtisch war zunächst in der Gaststätte Greve an der Speller Straße. Nach deren Schließung wechselte er zu einem Stammtisch in die Gastwirtschaft Rensmann im Dorf, doch auch die schloss nach ein paar Jahren ihre Türen. So landete Meyer schließlich im einzigen noch verbliebenen Dorfgasthof Düsing. Kaum zu glauben, aber tagsüber irgendwo auf dem Dorf ein frisch gezapftes Pils zu bekommen, ist heutzutage fast schon eine Kunst. Das war früher anders.

Die alte „Schwanenburg“ um 1980 – der älteste Gasthof in Schapen

Das älteste Gasthaus in Schapen war die „Schwanenburg“ an der Straße nach Beesten, wo der Kaufmann und Gastwirt Bernhard Bruns senior seit 1712 eine Gaststätte führte. 1747 bat er um die Erlaubnis, eigenes Bier brauen zu dürfen. Sein Sohn eröffnete damals in seinem Kaufladen im heutigen Haus der Bäckerei Sasse eine eigene Gastwirtschaft und beantragte eine Genehmigung zu „dem Bier=Brauen, so viele er im Hause verkauffet“. 1790 brannte die alte Schwanenburg ab und wurde als Wohnhaus neu errichtet. Die Gaststätte wurde zu dieser Zeit offenbar aufgegeben. Vor einige Jahren hat der neue Besitzer Theo Egbers das baufällige Gebäude abbrechen lassen.

Das alte Wirtshausschild, ein Sandsteinrelief mit der Darstellung eines Schwanes, ist an der alten Stelle im neuen Wohnhaus Egbers wieder eingemauert und erinnert an das Gasthaus Schwanenburg.

Ein Brauhaus aus dem 17. Jahrhundert ist auf dem früheren evangelischen Pfarrhof erhalten. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus und dient mittlerweile als Hochzeitszimmer für standesamtliche Trauungen. Früher wurde hier das „Messkorn“, eine damalige Getreideabgabe der Bauern für den Pfarrer, zu Gerstensaft verarbeitet.

Der Gasthof Rosken am Markt um 1990

Im 19. Jahrhundert standen die die beiden zentralen Gasthöfe von Schapen am sogenannten Markt, wo die Straße nach Freren von der alten Handelsstraße abzweigte. An der Seite zum Dorf befand sich von alters her der Hof Dreyer, ein Pachthof des Klosters Bentlage. Dreyer waren Kaufleute und verschickten nach dem Bau der Eisenbahn Lebensmittel wie Butter, Eier und Schinken in das Ruhrgebiet. Sie gerieten aber in Konkurs und mussten das Anwesen in Schapen verkaufen. Neuer Besitzer wurde der Gastwirt Konrad Wienkamp. Er finanzierte den Erwerb durch den Verkauf eines Grundstücks für den katholischen Friedhof an der benachbarten Kirchstraße. Dieser Friedhof wurde landläufig in Schapen noch lange „Wienkamps Kämpken“ genannt.

Die Gastwirtschaft Leugermann, vormals Wienkamp, ursprünglich Dreyer, heute Rosken, um 1930

Wienkamps Tochter heiratete den Bauernsohn Heinrich Leugermann aus Leer bei Horstmar im Münsterland, der die Gaststätte übernahm. Eine seiner fünf Töchter heiratete Bernhard Rosken aus Biene bei Lingen. Dieser baute die Gastwirtschaft zu einem weithin bekannten Saalbetrieb aus.

Das Hotel Westhoff, vormals Kellerwessel, in der Zeit um 1900

Schräg gegenüber richtete Anfang des 19. Jahrhunderts ein Johann Georg Köster eine Gastwirtschaft ein, die durch Heirat und Erbschaft in der Familie den Namen häufig wechselte: Köster, Wermeling, Rosini. 1868 erwarb der Wirt Bernhard Kellerwessel das Anwesen, der hier 1875 ein neues stattliches Gasthaus mit Hotel errichtete. 1911 übernahm der Wirt Westhoff die Gaststätte, die später an die Familie Lüttmann kam. Der Hotelbetrieb profitierte nicht zuletzt von der nahegelegenen Handelsschule. Wenn die Eltern kamen, um ihre Söhne zu besuchen, übernachteten sie bei Westhoff. Und das Geld, dass sie ihrem Filius zusteckten, landete irgendwann schließlich auch dort an der Theke.

Die Gaststätte und Bäckerei Düsing an der heutigen Kolpingstraße in der Zeit um 1910 – der Motorradfahrer ist nicht Bernd Rosemeyer und auch nicht der junge Mann in dem flotten Auto

Im 19. Jahrhundert bildete sich um die 1718 erbaute katholische Kirche ein neuer Dorfkern, in dem sich auch Geschäfte und Gaststätten ansiedelten. Um 1860 entstand hier die Bäckerei Blotkamp, zu der auch eine kleine Landwirtschaft gehörte. Mangels Nachfolger verkauften die Erben Blotkamp das Anwesen 1904 an den Bäcker Johann Franz Düsing, der aus einer Heuerstelle auf dem Bramhof stammte.

Noch im gleichen Jahr wurde eine neue Backstube mit modernen Backöfen angebaut und eine neuer Pottstall errichtet. Später erweiterten Düsing das Geschäft um eine Gaststätte. Bis in die 60er Jahre betrieb die Familie Düsing neben der Bäckerei eine eigene Landwirtschaft. Heute ist die Gaststätte Düsing mit Saalbetrieb und Bäckerei das führende Haus am Platz.

Die Gastwirtschaft Rensmann (ganz rechts) am Rande des damaligen Dorfes Schapen, um 1930

1900/1901 kam Heinrich Rensmann aus Ramsel nach Schapen. Er kaufte ein Grundstück im Dorf und baute darauf eine Gaststätte mit einer Bäckerei sowie einem Geschäft für Lebensmittel und Textilien. Gaststätte und Geschäft wurden 1977 geschlossen.

Die Gaststätte Stemann, früher Schulte, in den 1950er-Jahren

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gründete Franz-Josef Schulte aus Altharen an der heutigen Kolpingstraße eine Gaststätte. Bekannt war er in Schapen unter dem Namen „Püllen Franz“ (von: „eenen ut de Pülle nemmen“). Seine Schwester Maria Schulte (1864-1953) führte unter dem gleichen Dach einen Lebensmittelladen. Erbin wurde die Nichte Helena Schulte, genannt „Schulten Lena“. Sie heiratete Gerhard Stemann vom Hof Stemann-Winkel in Schapen. Der Wirt Stemann nannten aber nur „Kloas Gerd“. Die alte Gaststätte wurde 2015 abgebrochen. An ihrer Stelle steht seit 2018 eine moderne Wohnanlage.

Die Gaststätte Wilmer mit der Schranke der Wegegeld-Erhebungsstelle, um 1900

Weit draußen an der Hopstener Straße entstand Anfang des 19. Jahrhunderts die Neubauerei Schulte, die bald in den Besitz des Gastwirtes Wilmer kam. 1864 wurde direkt an der Straße die heutige Gastwirtschaft errichtet, in der die Gäste noch am offenen Herdfeuer in der Küche saßen.

Mit dem Ausbau der Straße von Schapen nach Hopsten richtete man hier eine „Wegegeld-Erhebungsstelle“ ein, deren Dokumente noch vorhanden sind. Seitdem musste jeder Reisende, gewollt oder ungewollt, bei Wilmer einkehren, denn eine farbig markierte Schranke versperrte die Fahrbahn. Darum nannte man diese Gaststätte „Zum bunten Poal“. Später war sie unter dem Namen „Ölen Bernd“ bzw. „Ölen Gerd“ bekannt.

Schließlich entstand nach dem Zweiten Weltkrieg an der Speller Straße die Gaststätte Ignatz Greve, deren Gebäude heute als Jugendhaus dient. Auch die meisten anderen Traditionswirtschaften in Schapen sind heute längst Geschichte oder haben aber Saal- bzw. Hotelbetrieb umgestellt. Ein beliebtes Speiselokal ist das Bistro im Modehaus Schulte.

Die frühere „Geheimkneipe“ von „Ossen Bernd“ Schulte an der evangelischen Kirche, Foto um 1980

Wenn der interessierte Leser jetzt einmal durchzählt, kommt er allerdings nicht auf zehn, sondern nur auf neun frühere Gaststätten. Aber es gab in Schapen ja auch noch eine „stille Kneipe“, in der zwar ohne Konzession, aber dem Vernehmen nach doch reichlich ausgeschenkt wurde: Das alte Haus von Bernhard Schulte an der evangelischen Kirche, das unter dem Namen „Ossen Bernd“ allgemein als Geheimgastronomie bekannt war. Auch diese „Geheimkneipe“ ist heute längst Geschichte.