Ausflugsgaststätten an Ems und Kanal

Betreten im Badeanzug verboten

Vor dem Kaffee-Haus Borchert in Hesselte (später Anglerklause) um 1950

In den Emsbürener Bauerschaften jenseits der Ems mussten Michael Merscher und Andreas Eiynck lange Etappen machen, um mit Hilfe von Hubert Hölscher die dortigen Gasthöfe zu untersuchen. Immerhin – verdursten brauchte dort …

Das Gasthaus „Zur Gleesener Schleuse“ (vormals Lütkenhaus, später Rest) um 1965

trotz der weiten Wege keiner. Denn mit dem Bau des Dortmund-Ems-Kanals entstanden hier in der Zeit um 1900 an den Schleusen in Gleesen und Hesselte kleine Gaststätten mit Lebensmittelgeschäften, in denen sich die Binnerschiffer, die Schleusenwärter und die Anlieger versorgen konnte. Bald entwickelten sie sich in den Sommermonaten zu beliebten Ausflugszielen, denn vor allem die Einwohner der Industriestadt Rheine nutzten das Emstal bei Salzbergen und Emsbüren als Naherholungsgebiet.

An der Gleesener Schleuse stand die Gaststätte Lütkenhaus, später Rest, um die herum sich ein Campingplatz und Wochenendhäuser ansiedelten.

Die Schenkwirtschaft Nurmann an der Hesselter Schleuse – später Gasthaus Kley, um 1910

An der Schleuse Hesselte hatte sich die Wirtschaft Nurmann angesiedelt, die später zum Ausflugsgasthof Kley ausgebaut wurde. Beide Lokale sind mittlerweile längst Geschichte. Dafür lockt auf dem Bauernhof Querdel im Ortskern von Gleesen heute ein Hofcafe und Restaurant Gäste aus einem weiten Umkreis an. Das Lokal ist stilecht in einem früheren Schafstall eingerichtet und verfügt über schöne Terrassen unter alten Eichen. Gut gestärkt kann man sich hier auch noch in einem Hofladen versorgen.

Die Gaststätte Borchert in Hesselte in der Nähe der Emsbrücke (später Anglerklaus Kalnowski)

Schon vor dem zweiten Weltkrieg richteten sich Familien aus Rheine Wochenendhäuser entlang der Ems und der großen Aa ein. Gerne suchten sie in der Sommerfrische die örtlichen Gaststätten auf. Hierzu gehörte das „Haus Borchert“ in Helschen, das bekannt war für seine gute Küche. Später wurde es als „Anglerklause“ von der Familie Kalnowski fortgesetzt wurde. Dort befand sich auch die Ausgabestelle für Angelscheine.

Wirtin Agnes Schröder hinter der Theke der Gaststätte Kunkemühle

An der Kunkemühle, einer uralten Wassermühle an der Aa in Moorlage, befand sich seit dem 19. Jahrhundert auch eine Gastwirtschaft. Hier konnte die Bauern während des Kornmahlens schon mal einen Korn zu sich nehmen und in der Nähe befand sich auch die kleine Anlegestelle Moorlage am Kanal, wo das Verladen durstig machte. Bereits seit 1902 führt die Familie Schröder über mehrere Generationen die malerisch gelegene Gastwirtschaft an der Kunkemühle.

Die Gaststätte „Zur Dille“, Inhaber Familie Schüring

Als 1825 das Emswehr in Listrup errichtet wurde, baute der Bauer Gravel auf dem Flurstück „Dille“ eine kleine Schenkwirtschaft, mit der er vom aufkommenden Schiffsverkehr profitieren wollte. Er verpachtete sie an verschiedene Wirte, die landläufig als „Dillenwirt“ bezeichnet wurden. Einer von ihnen, der frühere Püntenschiffer Esders aus Haren, verdiente mit dieser Gaststätte viel Geld, so dass der Besitzer Bauer Gravel den Ausschank 1879 selber übernahm und seine Landwirtschaft verpachtete. Er war als Gastwirt aber nicht sehr erfolgreich und musste die Dille bereits 1885 an den Nachbarn Seybering verkaufen. 1901 bezog die Pächterfamilie Schüring das Gasthaus in der Dille und betrieb nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Der Wirt Bernd Schüring, der von seinem Onkel einen Bauernhof in Hesselte geerbt hatte, fühlte sich zeitlebens mehr als Bauer. Wenn ein Gast ihn mit „Herr Wirt“ ansprach, antwortete er stets: „überwiegend Landwirt“.

„Dillenwirt“ Bernd Schüring bei der Landwirtschaft

Er heiratete Josefa Möller-Schulten, eine Wirtin durch und durch. Sie wurde zeitlebens nur nach ihrem Mädchennamen „Schulten Sefken“ genannt und meldete sich so auch am Telefon. Sie hielt es für unanständig, wenn die Sommerfrischler aus Rheine in Badekleidung ihr Lokal betraten. Daher stand an der Eiche vor dem Hause ein großes Schild: Betreten der Anlagen im Badeanzug verboten“ Wer in der Gaststätte anzügliche Lieder sang, wurde erbarmungslos des Lokals verwiesen.

Fröhliche Gäste vor der „Dille“, um 1940

Die Gäste aus der Stadt verhielten sich in der Dille zum Teil sehr selbstbewusst. Als ein Frauenarzt aus Rheine einmal meinte, er könne sich in der Küche wohl selber ein Stück Käse abschneiden, antwortete die resolute Wirtin: „Hier schneide ich, Sie können woanders schneiden!“ Bis 1968 betrieb die Familie Schüring die Dille, später wurde das Haus abgebrochen. Mancher bekommt heute noch Durst, wenn er an der Stelle vorbeikommt. Ende der 60er-Jahre eröffnete die Familie Kruse dann in ihrem Haus unweit der Dille eine Gaststätte mit Campingplatz, die auch von Ausflüglern gerne besucht wurde.

Listrup mit der Gaststätte Schröer (Inhaber Oldeweme) direkt gegenüber der Kirche

Mit der Einweihung einer eigenen Kirche in Listrup entstand dort bald auch ein kleiner Dorfkern mit Schule, Geschäften und Gaststätten. 1883 errichtete Johann Bernhard Meiering schräg gegenüber der neuen Kirche ein kleines Geschäftshaus. 1913 übernahm Clemens Schröer dieses Anwesen und setzte das Geschäft und die Gaststätte fort. Durch Erbschaft kam die Wirtschaft an die Familie Oldeweme aus Hummeldorf, deren Sohn 1962 den Betrieb übernahm. Zwanzig Jahre später wurde das Gasthaus in der nächsten Generation modernisiert und erweitert. Es ist heute ein beliebtes Ausflugslokal und Speiserestaurant.

Tante-Emma-Laden, Poststelle und Gaststätte Hagspihl in Listrup, um 1960

Die Familie Hagspihl in Listrup geht zurück auf die Kaufmannstochter Maria Primavesi und den Tischlermeister Anton Hagspihl aus Meppen. Primavesi stammten aus Norditalien und Hagspihl aus Tirol. 1904 eröffnete deren Sohn, der Bäckermeister Heinrich Hagspihl, mit seiner Frau Thekla Schöpper aus Papenburg in Listrup eine Bäckerei mit Kolonialwarenhandlung. Bald wurde hier auch die Listruper Poststelle eingerichtet und Hagspihl erhielt eine Konzession für den Ausschank alkoholischer Getränke. Über mehrere Generationen bildete dieses Haus einen beliebten Treffpunkt im Dorf. Ende der 1980er-Jahre wurde das Lokal mangels Nachfolger aufgegeben.