Der Mai, der Mai

Ausflugsziele zu Großvaters Zeiten

Ungewohnte Perspektive: Blick nach unten vom Pfeiler am Emswehr in Hanekenfähr

Im Frühjahr zieht es die Menschen aus den Städten und Dörfern hinaus in die erwachende Natur. Nicht nur zur Arbeit im

Hanekenfähr 1928 – im Hintergrund das Emswehr mit dem Wasserfall

Garten oder auf den Feldern, sondern auch zur Entspannung und zum Fröhlichsein. Das war früher so wie heute. Schönes Wetter und steigende Temperaturen locken in dieser Jahreszeit zu einem Maiausflug. Zwar war der 1. Mai erst 1919 zum ersten Mal gesetzlicher Feiertag, aber die Wochenenden davor und danach waren aus Ausflugstermine fest eingeplant.

Klassisches Ausflugsziel der Lingener Familien war Hanekenfähr mit dem Wasserfall der Ems als besonderem Anziehungspunkt. Verschnaufen und Auftanken konnte man dort in der Gastwirtschaft „Zur schönen Aussicht“ der Familie Schievink, die in den Sommermonaten für müde Wanderer auch einen Pendelverkehr per Kutsche zwischen Lingen und dem Haneken organisierte.

Den Wasserfall selber konnte man von Schievinks Terrasse aus zwar nicht sehen, wohl aber den regen Schiffsverkehr auf der Ems und dem beobachten sowie gelegentlich die Züge mit den fauchenden Dampfloks auf der Eisenbrücke über die Ems, die damals als Wunderwerk der Technik galt. Ganz mutige ließen sich von der Brücke ins Wasser plumpsen oder kletterten auf den Pfeiler im Emswehr. Beides war natürlich streng verboten.

Ausflugsgesellschaft aus Lingen im Biener Busch, um 1900

Ebenso beliebt waren bereits zu Großvaters Zeiten Spaziergänge zum Biener Busch, die von Lingen aus allerdings schon einige Kondition erforderten. Gerne plante man dabei auch ein Picknick in den nahegelegenen Emswiesen ein. Ermüdete Spaziergänger konnten sich mit einer Kutsche oder später auch mit einem Autotaxi abholen lassen. Einkehrmöglichkeiten gab es entlang der Wegstrecke in den Dorfschänken von Altenlingen, Holthausen und Biene ausreichend.

Seit den 1920er-Jahren bot die renovierte Baccumer Mühle, damals als evangelische Jugendheim eingerichtet, ein weiteres Ausflugsziel, das sich besonders bei Vereinsausflügen der zahlreichen kirchlichen Chöre und Musikvereine rasch etablierte. Das renovierte Mühlegebäude und die gepflegten Außenanlagen bildeten dabei einen angenehmen Rahmen für eine Kaffeepause.

Ausflugsgesellschaft aus Freren in der „Düwels Köcke“, um 1910

Auch die Frerener Bürgerschaft hatte ihre bekannten und beliebten Ausflugsziele in der Umgebung. Neben der früheren Wasserburg Gut Hange gehörte hierzu die „Düwels Köcke“ (Teufelsküche), ein malerisches Hügelgelände mitten im Frerener Wald, von dem viele Sagen und Gruselgeschichten erzählt wurden. Erfrischen konnte man sich am nahe gelegenen „Holländer Pütt“, einer Quelle mitten im Wald, an der sich bereits seit Jahrhundert die Hollandgänger bei ihren beschwerlichen Fußmärschen in die Niederlande gelabt hatten.

Postkutsche vor der „Kaninchenherberge“ zwischen Lengerich und Freren, um 1910

Von Lengerich aus erwanderte man gerne die „Andervenner Schweiz“ an der Grenze zum Nachbarkirchspiel Freren. In der „Kaninchenherberge“, eine bekannten Bauernschänke auf halber Strecke zwischen Lengerich und Freren, konnte man einkehren und bei müden Füßen den Rückweg auch mit der Postkutscher antreten.

An Ausflugszielen herrschte also auch vor hundert Jahren kein Mangel, selbst wenn die Freizeit damals aufgrund längerer Arbeitszeiten, weniger Urlaub und viel Arbeit in Haus und Hof längst noch nicht so ausgeprägt war wie heute.