75 Jahre Niedersachsen: Demokratie mit knurrendem Magen

Am 15. September 1946 waren die ersten freien Kommunalwahlen seit 1933

Broschüre mit allgemeinen Informationen über den Wiederaufbau demokratischer Strukturen im Regierungsbezirk Osnabrück vom März 1946

Ziel der Westalliierten war seit dem Sieg über Nazi-Deutschland die Wiedererrichtung eines demokratischen Deutschen Staates als Teil der Völkergemeinschaft. Dafür fanden …

am 15. September 1946 die ersten freien Kommunalwahlen in der Provinz Hannover statt – das Land Niedersachsen gab es damals noch nicht. Am 15. September folgten die Kreistagswahlen.

In den Gemeinden hatten die Briten nach dem Kriegsende zunächst Bürgermeister und Gemeinderäte eingesetzt, die jeder Nazi-Verbindung unverdächtig waren. Stellte sich heraus, dass sich die Briten in ihrer Einschätzung geirrt hatten oder die neuen Funktionsträger unfähig waren, so wurden sie umgehend ausgetauscht.

Auf die Dauer aber planten die Briten eine kommunale Selbstverwaltung auf demokratischer Grundlage. Voraussetzung hierfür waren freie Wahlen. Ein zunächst geplanter Wahltermin am 30. Juni 1946 war aus organisatorischen Gründen nicht zu halten. Das Aufstellen der Wählerlisten, die Auswahl der Kandidaten und selbst die Beschaffung des Papiers für die Wahlzettel erwiesen sich als schwieriger als erwartet.

Von der Wahl ausgeschlossen waren frühere Nazis, Gestapo-Leute, Mitglieder der Waffen-SS, Wehrmachtsgeneräle, SA-Führer und alle, die sich in irgendeiner Weise als Sympathisant der Nationalsozialisten hervorgetan hatte. Die Wahlgesetze der britischen Militärregierung waren streng: „Mit irgendeiner Strafe, abgesehen von der Todesstrafe, kann bestraft werden, wer a) seine Eintragung als Wähler durch falsche Angaben erwirkt oder b) einen anderen Wähler einträgt, von dem er weiß, daß er keinen Anspruch auf Eintragung hat“. Typisch für diese Zeit war, dass vorab kein Strafmaß definiert wurde.

Die SPD hatte sich bald nach Kriegsende neu gebildet. Aus den früheren Nationalliberalen Parteien ging die neue FDP hervor. Hannoverische Sonderinteressen vertrat die Niedersächsische Landespartei. Auch die im katholischen Emsland vor 1933 dominierende Zentrumspartei gründete sich nach dem Krieg bald neu, erhielt jedoch rasch Konkurrenz durch die neu gegründete CDU, die sich als christliche Volkspartei für Wähler aller Konfessionen verstand.

In vielen kleinen Gemeinden standen bei der Kommunalwahl 1946 nur parteilose Bewerber auf den Wahlzetteln. Von den Parteivertretern erhielt die Zentrumspartei am meisten Mandate, gefolgt von den Kandidaten der CDU und der SPD.

In der Stadt Lingen hatte sich von den ersten, bereits 1945 durch die Militärbehörden ernannten Ratsherren keiner der alten Zentrumspartei wieder angeschlossen, wohl aber mehrere der neuen CDU. Bei der Stadtratswahl 1946 erzielte die CDU 6466 Stimmen, die SPD 5386, das Zentrum 3880 und die KPD 916. Diese Stimmverteilung und das bei dieser Wahl geltende Mehrheitswahlrecht sorgten dafür , dass die CDU eine dominierende Mehrheit der Ratssitze besetzte, während das Zentrum nur zwei Sitze über die Reserveliste erhielt.

Bei den Kreistagswahlen vier Wochen später erreichte das Zentrum jedoch in Stadt und Landkreis Lingen die absolute Mehrheit und wurde auch bei der Landtagswahl 1947 in der Stadt Lingen die stärkste Partei. Während sich die CDU überregional rasch zur führenden Kraft im konservativen Lager entwickelte und auchdie Zustimmung der örtlichen Zentrumsanhänger fand, verteidigte das Zentrum im Landkreis Lingen und einigen anderen Regionen im Regierungsbezirk Osnabrück diese Position noch bis Anfang der 50er-Jahre.

Auf die Kommunalwahl am 15. September 1946 folgte am 13. Oktober die Kreistagswahl

Bei der ersten Landtagswahl im Frühjahr 1947 erhielt im Kreis Lingen die Zentrumspartei 44,4 %, die CDU 24,7 %, die SPD 18,1 %, die FDP 10,5 % und die KPD 2,3 % der Stimmen. In den Kreisen Meppen und Aschendorf-Hümmling lag die CDU schon damals bei über 50 %. Erst Ende der 40er-Jahre wechselten auch im Raum Lingen immer mehr Wähler von der Zentrumspartei zu CDU, die dann für Jahrzehnte zur dominierenden kommunalpolitischen Kraft wurde.