Erdöl für das Wirtschaftswunderland

Die „Schachtbau“ in Lingen

Bohrmannschaft der „Schachtbau“ (DST) aus Lingen vor einer Ölpumpe

Die Erdölindustrie ist seit vielen Jahrzehnten ein wichtiger Zweig der emsländischen Wirtschaft. Über die Anfänge der Ölförderung in der Region berichtet …

Das neue Betriebsgelände an der Waldstraße

die 43. Folge unserer Serie „Achtung, Aufnahme“. Die Aufnahmen stammen größtenteils aus dem Fotoalbum der Familie Heidotting in Lingen.

Die „Deutsche Schachtbau- und Tiefbohrgesellschaft“ (DST) mit Sitz in Salzgitter entdeckte Anfang der 1940er-Jahre bei Bohrungen im Erdölfeld Dalum nördlich von Lingen die ersten nutzbaren Ölvorkommen der Region. Wegen der schwierigen Wegeverhältnisse in den Moorgebieten konnten die Lagerstätten jedoch zunächst nicht in größerem Umfang erschlossen und genutzt werden.

Durch neue Techniken bei der Suche nach Erdöl wurden nach dem Zweiten Weltkrieg rasch weitere Ölfelder im Emsland entdeckt und durch Bohrungen erschlossen. Neue Straßen und sogar eine Ölpipeline wurden in die Moorgebiete gebaut. Das Emsland wurde zur neuen Erdölprovinz der jungen Bundesrepublik.

Daher verlegte die „Schachtbau“ 1948 ihren Firmensitz von Salzgitter nach Lingen und errichtete auf einem Gelände an der Waldstraße neue Werkstätten, Lagerhäuser und ein Verwaltungsgebäude. Alle Gebäude waren als Klinkerbauten im modernen Industriestil konzipiert.

Von Lingen aus schwärmten die Bohrmannschaften zu ihren Einsatzorten aus, die hauptsächlich im Emsland lagen, aber auch in weiteren Regionen der Bundesrepublik, in denen man Erdöl und andere Bodenschätze vermutete. Die größten Ölfelder befanden sich jedoch direkt vor der Haustür im Emsland-Moor. Besonders das Feld Rühlermoor konnte sich hinsichtlich Ausdehnung und Ölvorrat mit den damals bekannten ausländischen Lagerstätten durchaus messen.

In den 50er-Jahren zählte die Schachtbau rund 750 Mitarbeiter, die bundesweit eingesetzt waren. Sie mussten zum Teil lange Anfahrtswege zu ihren Arbeitsstätten in Kauf nehmen und häufig auch für längere Zeit auswärts arbeiten. Später kamen längere Auslandseinsätze hinzu. Auf der anderen Seite winkten gut bezahlte Arbeitsplätze und auch Werkswohnungen, die von der Schachtbau in großer Zahl errichtet wurden. Dies machte die Firma für viele Arbeitssuchende attraktiv.

Die Bohrgeräte waren auf dem neuesten Stand der damaligen Technik. Sie wurden von Lingen aus ausgerüstet und gewartet. Die Fahrzeuge mussten auch für schwieriges Gelände und für schwere Lasten geeignet sein. Bis Ende der 50er-Jahre wurden alleine im Emsland über 700 Bohrungen durchgeführt. Bald kamen auch Bohraufträge aus dem Ausland hinzu, etwa aus den österreichischen Alpen oder der Sahara, wo damals viele neue Ölfelder entdeckt wurden. Sie übertrafen die Lagerstätten in Deutschland bei weitem. Ende der 50er-Jahre war die Schachtbau bereits ein international tätiges Unternehmen mit dem Standort Lingen.

Bohrturm im Einsatz

Durch zahlreiche Umstrukturierungen kam die Schachtbau in den 90er-Jahren zunächst an die Firma Deilmann, dann 2008 an Gaz de France (GDF) Suez, später umbenannt in ENGIE, und schließlich 2018 an die Neptun Energy GmbH. 2020 wurde die Niederlassung in Lingen geschlossen und der Hauptsitz nach Hannover verlegt. Damit ging ein wichtiger Abschnitt Lingener Industriegeschichte zu Ende.

Feierabend bei der Schachtbau