Wer im Sommer Kappes klaut…

Das Frühjahr und die Gartensaison

Das Frühjahr war die Gartensaison für die ganze Familie – hier beim Kartoffeln pflanzen

Wenn die Tage länger werden und die Temperaturen steigen, dann lockt der Garten. Doch was heute als beliebtes und gesundes

Ackern in einem Feldgarten Auf der Horst in Lingen, 1938

Hobby gilt, war früher echte Knochenarbeit zur Produktion von eigenen Nahrungsmitteln. Angebaut wurden nicht nur Kräuter und Gemüse, sondern auch jede Menge Kartoffeln und manchmal sogar Getreide.

Umfangreiche Vorarbeiten waren schon im zeitigen Frühjahr notwendig. Dünger musste kommen – am liebsten Pferdemist vom Bauern oder vom Misthaufen am eigenen Schweinestall. Auch die Jauchegruben lieferten wertvollen Naturdünger – quasi aus hauseigener Produktion. Die Beete wurden umgegraben und von Unkraut befreit. Doch das wuchs im Laufe des Jahres auch ohne Dünger immer wieder nach.

Umgraben

Sämereien bezog man bei den örtlichen Gärtnern oder den Händlern aus Bevergern, die in jedem Frühjahr mit Kisten und Wagen voller Samentüten ausschwärmten, um ihre Kunden vor Ort zu beliefern. Die Pflänzchen für das Gemüse wurden im Frühbeet selber gezogen, vereinzelt und schließlich ins Freiland umgesetzt. Nun galt es, die Kaninchen und andere ungebetene Gartenbesucher von den Pflanzen abzuhalten. Die Pflanzkartoffeln wurden einzeln in die Erde gesteckt – immer mit den Augen nach oben – so sagte man scherzhaft, damit sie den Weg ans Licht besser finden.

In vielen Fällen war die Gartenarbeit Frauensache. Die Männer erledigten allerdings die schweren Arbeiten beim Umgraben der Beete oder beim Pflügen der Feldgärten. Selbstverständlich mussten auch die Kinder bei der Gartenarbeit helfen, was nicht immer Begeisterung hervorrief. In den meisten ländlichen Schulen gab es eigene Schulgärten, wo unter der Anleitung des Lehrers Grundlagen des Gartenbaus vermittelt wurden. Den älteren Schülern wurde außerdem der richtige Umgang mit Obstbäumen vermittelt.

Den ganzen Sommer über gab es im Garten etwas zu tun – Unkraut jäten ging immer und in den heißen Monaten musste auch gewässert werden – mit der Handpumpe, wohlbemerkt. Die Früchte der Arbeit konnte man dann ab dem Spätsommer ernten. Nun wurde die Arbeit im Garten allmählich weniger, doch das Einkochen und Konservieren der Vorräte wollte auch bewältigt werden. Kirschen, Birnen und Pflaumen wurden eingeweckt, Marmelade aus Beeren in Gläser eingekocht, Äpfel zu Apfelmus verarbeitet. Bohnen wurden eingelegt oder getrocknet. Denn den Winter über wollte man ja nicht nur satt, sondern am liebsten auch noch abwechslungsreich und lecker essen. In keinem Haushalt fehlte das Fass zum Einlegen von Sauerkraut. Und scherzhafte sagte man: nur wer im Sommer Kappes klaut, der hat im Winter Sauerkraut.

Zierpflanzen hatten im Nutzgarten keine große Bedeutung. Dafür reichten ein paar Blumenbeete, die sogenannten Rabatten, am Haus oder am Hauptweg des Gartens entlang. Hier konnte die Verwandtschaft bei der sonntäglichen Gartenvisite flanieren und ein paar Schnittblumen für die Blumenvase waren hier immer zu finden. Auf den Gartenwegen wurde jedes Unkraut sofort entfernt und am Samstag harkte man Muster in die Wege. Denn bei der Gartenvisite am Sonntagnachmittag sollte ja alles hübsch und ordentlich aussehen.

Sonntagnachmittag im Garten, um 1910, in Lingen