Emsländer kämpften im Deutsch-Französischen Krieg
Vor 150 Jahren erzielten die verbündeten deutschen Truppen in der Schlacht von Sedan den entscheidenden Sieg im Krieg von 1870/71 gegen die Franzosen. Daran erinnert
ein Gemälde im Lingener Emslandmuseum, das einst als dekorativer Wandschmuck die Wohnstube eines Kriegsveteranen zierte. Solche Bilder weckten damals Erinnerungen an den Deutsch-Französischen Krieg und lieferten Erzählstoff für Großväter, die ihren Enkeln von den Kriegserlebnissen berichteten.
Erst wenige Jahre zuvor hatte Preußen sich im Krieg von 1866 das Königreich Hannover einverleibt und aus den Emsländern waren Preußen geworden. Sie mussten nun mit den Truppen des Norddeutschen Bundes in den Krieg gegen Frankreich ziehen mussten.
Die französische Armee galt zu Kriegsbeginn als die größte und stärkste Streitmacht Europas. Doch Preußen und mit ihm verbündeten deutschen Bundesstaaten hatten die effizientere Strategie und Organisation. Gleich zu Anfang des Krieges im Sommer 1870 waren die Deutschen zum Erstaunen ganz Europas in der großen Schlacht bei Gravelotte erfolgreich. Unter den zehntausenden Opfern der Kämpfe war auch der Soldat Lukas Strootmann aus Thuine. In der Schlacht bei Mars la Tour fielen Bernhard Platen aus Venhaus und ein Soldat Rolves aus Gersten. Stephan Schmidtalbers aus Schapen wurde dort verwundet und starb nach der Rückkehr in die Heimat an seinen Verletzungen.
Nach mehreren siegreichen Einzelschlachten gelang es den deutschen Truppen Ende August, eine ganze französische Armee in der Festung Sedan einzuschließen. Der preußische König Wilhelm I., Ministerpräsident Otto von Bismarck und der Chef des preußischen Generalstabes Helmuth von Moltke nahmen an der Schlacht teil.
Am 1. und 2. September 1870 wurden die Franzosen mit den neuen Krupp’schen Hinterladergeschützen regelrecht zusammengeschossen und mussten sich schließlich ergeben. Unter den über 100.000 Gefangenen war auch der französische Kaiser Napoleon III. Mit dem Sieg von Sedan war der Krieg im Grunde entschieden.
Doch in Frankreich brach eine Revolte aus, der Kaiser wurde abgesetzt und die Republik ausgerufen. Die neue Regierung setzte den Krieg fort, aber am Ende siegten die Deutschen. Viele französische Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft und wurden nach Deutschland gebracht. In Hanekenfähr entstand ein Gefangenenlager mit dem Namen „Neu Sedan“, für über tausend Franzosen, die zu Bauarbeiten für den neuen Ems-Vechte-Kanal herangezogen wurden. Weitere Lager befanden sich in Haren-Emmeln, in Papenburg-Oberende und im Kloster Frenswegen.
Deutschland schwang im Siegestaumel und in nationaler Begeisterung. Das deutsche Kaiserreich als Nationalstaat unter der Führung Preußens wurde gegründet, das Elsaß und Lothringen wurden deutsche Provinzen.
Als der Sieg von Sedan in Lingen bekannt wurde, machte sich Begeisterung breit. Viele Bürger schmückten ihre Häuser mit Fahnen, die Glocken wurden geläutet. Abends gab es einen Umzug durch die festlich geschmückte und illuminierte Innenstadt, an dem alle preußische gesinnten Bevölkerungskreise teilnahmen.
Im ländlichen Raum hielt sich die Begeisterung für den preußischen Sieg offenbar zunächst in Grenzen, denn die katholische Bevölkerungsmehrheit fürchtete – nicht zu Unrecht – nach einem erfolgreichen Kriegsende Maßnahmen der preußischen Regierung gegen die Kirche. So berichtete der damalige reformierte Prediger in Schapen, der stramm preußisch gesinnte Pastor Ludwig Perizonius, alle Honoratioren des Dorfes seinen katholisch und Anhänger des Zentrums, die sich den Sieg Frankreichs gewünscht hätten. Erst nach dem Ende des sogenannten „Kulturkampfes“, der Auseinandersetzung des preußischen Staates mit der katholischen Kirche, reihten sich die Emsländer mit zunehmender Begeisterung in den preußischen Obrigkeitsstaat und das deutsche Kaiserreich ein. Eine wichtige Funktion hatten dabei die Kriegervereine der Veteranen von 1870/71 und andere sogenannte Vaterländische Verbände.
Über 50 Soldaten aus Stadt und Landkreis Lingen verloren im deutsch-französischen Krieg ihr Leben. Für sie wurde auf dem Lingener Marktplatz 1893 ein Kreiskriegerdenkmal aufgestellt, das zu Zeiten des Kaiserreiches den Mittelpunkt vieler vaterländischer Veranstaltungen bildete.
Ab 1872 wurde jährlich am 2. September, dem „Sedan-Tag“, im ganzen Deutschen Reich, aber besonders in Preußen der Sieg über die Franzosen gefeiert. Der preußische Militarismus und der triumphale Sieg in der Schlacht von Sedan legten die Grundsteine für das Gefühl der deutschen Überlegenheit gegenüber den Franzosen. Diese Selbstüberschätzung sollte im 20. Jahrhundert noch fatale Folgen haben.