Herkunft und Bedeutung des Ortsnamens

Duisenburg auf der Gaußschen Landesaufnahme von 1853.
Duisenburg, nordöstlich von Lingen gelegen, ist eine alte Bauerschaft der Gemeinde Bawinkel. Doch was verbirgt sich hinter diesem Namen?
Um diese Frage zu beantworten, muss man auf die ältesten Belege zurückgreifen. In der Landesbeschreibung von 1555 wird die Bauerschaft selbst noch nicht genannt. Unter den Bewohnern des Kirchspiels Bawinkel erscheinen jedoch mehrere Personen mit dem Namen „Duisen“: ein „Duisen Berent“, ein „Duisen Hermann nu[n] Gerd“, der im sogenannten „Duisenhuis“ wohnte, sowie ein „Duisen Johann“, der auf der „Duisenborch“ lebte. Der Ortsname Duisenburg lässt sich daher in die Bestandteile Duisen– und –burg (niederdeutsch –borch) gliedern.
Zur Erklärung des Namens könnte man zunächst an das ähnlich klingende Duisburg denken. Doch dieser Vergleich führt in die Irre. Der Name Duisburg ist sehr alt und bereits Ende des 9. Jahrhunderts als „Diusburh“ bezeugt. Sein Erstglied Duis– wird mit dem häufig belegten Namenelement deus– in Verbindung gebracht, das in alten Gewässernamen vorkommt – seine genaue Bedeutung ist jedoch ungeklärt. Dieses Element ist bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. zurückzuverfolgen und damit sprachlich sehr alt. Für Duisenburg kommt es also nicht in Frage, denn die Bauerschaft entstand erst im ausgehenden Mittelalter.
Die drei Brinksitzerstellen mit diesem Namen werden 1555 erstmals erwähnt und sind siedlungsgeschichtlich noch nicht alt. Der Ortsname Duisenburg geht vielmehr auf den Familiennamen Duisen (Genitiv) bzw. Duise (Nominativ) zurück, wie die Landesbeschreibung deutlich zeigt. Auch das „Duisenhuis“ war schlicht die ‚Behausung der Familie Duise(n)‘.
Ein Hinweis auf die Herkunft des Namens Duise(n) findet sich im Familiennamen Düsing, der mit demselben Namenelement gebildet ist. Er setzt sich aus Düs– und dem Suffix –ing zusammen. Diese Nachsilbe – im Emsland häufig in Familiennamen anzutreffen – kennzeichnete ursprünglich eine Personengruppe oder Zugehörigkeit:
Die Nachkommen Karls des Großen waren die Karolinger, die Untertanen der Könige Lothar I. († 855) und Lothar II. († 869) hießen Lotharinger, ihr Land Lotharingia – das heutige Lothringen.
Analog dazu dürfte im Erstglied Düs– ein alter Rufname enthalten sein, etwa ein *Dûs oder *Dûso (û = langes u, vormodern gern auch als ui geschrieben). Ein solcher Personenname liegt somit auch dem Familiennamen Duise(n) zugrunde. Wegen des -en in Duisen kommt aber nur der schwach beugende *Dûso infrage (Genitiv: Dûsen, vgl. Otto; alter Genitiv: Otten).
Nun bleibt noch das Zweitglied –burg zu erklären. Noch im 19. Jahrhundert erzählte man in Bawinkel, das Anwesen Duisenburg sei einst ein adeliges Gut gewesen, das bereits im Mittelalter aufgeteilt worden sei. Diese „Sage“ dürfte jedoch ihren Ursprung im Namen selbst haben, denn das Wort Burg wurde später meist nur noch im Sinne einer steinernen Festung verstanden.
Tatsächlich kann –burg in Orts- und Flurnamen aber verschiedene Bedeutungen haben. Das Wort gehört zur Familie um indogermanisch *bhergh / *bhorgh, das Begriffe wie griechisch phrágma ‚Zaun, Hecke‘, altniederdeutsch barg ‚Verschlag, Scheune‘ oder althochdeutsch burg ‚geschützter Ort‘ umfasst. Seine Grundbedeutung lautet also ‚eingefriedeter, geschützter Platz‘.
In vielen Flurnamen bezeichnet –burg daher keinen Wehrbau, sondern allgemein eine geschützte, bergende Stelle – sei es durch natürliche Gegebenheiten, durch Hecken, Zäune, Gräben oder einfache Mauern. Vergleichbar ist etwa der Flurname Schulenburg in Lengerich-Ringel (Kreis Steinfurt), der zu mittelniederdeutsch schulen ‚verstecken, verbergen‘ gehört und einen Zufluchtsort für Menschen und Vieh bezeichnete.
Der Ortsname Duisenburg geht somit auf das Anwesen des „Duisen Johann“ zurück, das den gleichen Namen trug. Er lässt sich deuten als ‚befestigte oder geschützte Stelle der Familie Duise(n)‘. Der Familienname Duise(n) wiederum ist – wie Düsing – auf einen alten Rufnamen *Dûso zurückzuführen.