Lingener Geschichte im Bild (41)

Um ein wichtiges Thema der Emsländischen Sozialgeschichte geht es in der heutigen Folge der Geschichtsserie von EL-Kurier und Emslandmuseum: die Hollandgänger! Denn zu tausenden zogen die Landarbeiter und Bauernsöhne aus unserer Region seit dem 17. Jahrhundert in den Sommermonaten zur Saisonarbeit in die Niederlande.

Der preußischen Regierung in Lingen war diese Massenwanderung in das Ausland suspekt und ihr wäre lieber gewesen, die Menschen mit Flachsanbau und Leinenweberei in der Heimat zu beschäftigten. Doch die schlechten Böden und das Klima in der Grafschaft Lingen waren dafür nicht geeignet.
Die Landarbeiter, die sogenannten Heuerleute, und die zahlreichen Kleinbauern im Emsland konnten von ihrer kleinen Landwirtschaft allein nicht leben. Ihre Familien waren auf Zuverdienst angewiesen. Die Auftragslage für Landhandwerker und Tagelöhner in der Heimat war jedoch schlecht. In Holland dagegen lockte reichlich Arbeit im Saisongewerbe bei vergleichsweise gutem Verdienst.

Die meisten Hollandgänger arbeiteten dort als Grasmäher und Torfstecher, ferner als Knechte und Tagelöhner. Frauen fanden Beschäftigung auf den großen Leinenbleichen und als Dienstmädchen in Privathaushalten.
Alle Hollandgänger, im 18. Jahrhundert waren es jährlich mehrere zehntausend, legten den Weg in ihre Zielgebiete zu Fuß zurück. Die Grasmäher hatten oft langjährige Kontakte zu Bauern, bei denen sie immer wieder Arbeit fanden. Akkordarbeit sichert ihnen einen hohen Verdienst. Schwieriger waren die Verhältnisse beim Torfabbau. Dort waren die Arbeiter dem Lohndiktat der Torfbarone unterworfen. Auch die Lebensverhältnisse in den abgelegenen Moorgebieten ohne feste Unterkünfte und Versorgungsmöglichkeiten waren erbärmlich. Viele Torfarbeiter erkrankten und mussten per „Krüppelfuhre“ auf Pferdewagen krank in die Heimat zurückgebracht werden.
Wichtigster Treffpunkt der Hollandgänger war die Emsfähre in Lingen. Von dort verlief die Route durch die Grafschaft Bentheim in die Moorgebiete der Drenthe und zu den Bauern in den Provinzen Friesland und Nordholland. Im Herbst kehrten die Hollandgänger auf den gleichen Routen in die Heimat zurück. Außer dem Lohn brachten viele in ihrem Gepäck auch Waren aus den Niederlanden mit. Auf dem Lingener Markt kauften viele vor der Rückkehr für ihre Familien noch einmal tüchtig ein.
Manche Hollandgängerinnen fanden in den Niederlanden einen Ehepartner und so entstanden auch verwandtschaftliche Kontakte in das Nachbarland. Auch kam es vor, dass Hollandgänger sich dauerhaft als Torfbauern oder Handwerker dauerhaft in den Niederlanden ansiedelten.
Den Höhepunkt erreichte diese Massenwanderung in der Zeit zwischen 1700 und 1850. Mit der Industriealisierung in Deutschland entstanden auch in der Arbeitsplätze und nach 1870 ging die Hollandgängerei rasch zu Ende.