Runder Geburtstag: 800 Jahre alt

Das Muttergottesbild von Wietmarschen

Das 800 Jahre alte Muttergottesbild von Wietmarschen

Seit dem 13. Jahrhundert bildete ein geschnitztes Marienbild das liturgische Zentrum des früheren Klosters Marienrode in Wietmarschen. Die Entstehung des Bildes ist sicherlich …

Das Muttergottes nach der Restaurierung im Zustand 1921

nicht auf das Jahr exakt zu datieren, aber namhafte Kunsthistoriker ordnen es ziemlich genau in die Zeit „um 1220“ ein. Schon das älteste bekannte Siegel des Klosters von 1248 zeigt eine thronende Muttergottes mit dem Jesusknaben im romanischen Stil.

Die Herkunft des noch heute von vielen Gläubigen verehrten Marienbildes, um das sich viele Sagen ranken, ist unbekannt.

Das Muttergottesbild von Wietmarschen folgt dem Typus der „thronenden Madonna“ mit dem Jesuskind auf dem linken Arm der Mutter. Diese Darstellungsweise entstand im frühen 13. Jahrhundert und fand rasch weite Verbreitung. Der Bildtypus geht zurück auf die byzantinische „Nikopia“, die sitzende Madonna auf dem Himmelsthron als „Sedes Sapientia“ (Sitz der Weisheit). Dort ist das Kind jedoch frontal auf dem Schoß der Mutter dargestellt.

Die Muttergottesdarstellung auf dem Bronzetaufbecken im Hildesheimer Dom

Als künstlerische Vorlage für das Wietmarscher Gnadenbild gilt die Abbildung der Muttergottes auf dem Bronzetaufbecken im Dom zu Hildesheim, das in das erste Drittel des 13. Jahrhunderts datiert wird. Wo das Wietmarscher Bild vor fast 800 Jahren geschaffen wurde, ist nicht bekannt. Ein sehr ähnliches Marienbild befindet sich auch in der Stiftskirche zu Börstel. Auch dieses Bild wurde in der Reformationszeit stark beschädigt, doch blieb hier das originale Haupt der Muttergottes erhalten. Die Madonna in Börstel wird stilistisch in die Zeit um 1235 eingeordnet.

Die thronende Muttergottes aus dem Stift Börstel

Auch Wietmarscher Marienbild wurde in der Reformationszeit stark beschädigt und anschließend fehlerhaft restauriert. Das Kind wurde damals auf die rechte Seite der Madonna platziert und das Zepter auf die linke Seite.

Schnitzrelief mit der Darstellung des Wietmarscher Marienbildes aus dem 17. Jahrhundert

Ein Reliefbild des Marienbildes aus dem 17. Jahrhundert (früher in der Kirche, heute im Stifts- und Wallfahrtsmuseum) zeigt bereits diese Anordnung. Auch bei einer Restaurierung kurz nach dem Ersten Weltkrieg blieb diese Disposition beibehalten.

Bei einer erneuten Restaurierung in den 1980er-Jahren wurde der Fehler entdeckt und die ursprüngliche Anordnung von Kind und Zepter wiederhergestellt.

Das Muttergottesbild von Wietmarschen nach der Restaurierung in den 1980er-Jahren

Seit den 1920er-Jahren war das Marienbild in einem besonderen Alltar in einer kleinen Kapelle im rechten Seitenschiff aufgestellt. Ein schmiedeeisernen Gitter trennte die Gläubigen von der Muttergottes.

Die alte Marienkapelle

Im Jahr 2016 wurde eine neue Marienkapelle im hinteren Bereich der Kirche eingerichtet. Sie zeigt eine moderne Formensprache und ermöglicht eine freie Sicht auf das Marienbild. Durch ein Fenster ist auch bei verschlossenen Kirchentüren ein Blick von draußen auf das Marienbild möglich..

Die neue Marienkapelle in Wietmarschen

Die Legende vom Wietmarscher Gnadenbild

Als Gründer des Klosters Wietmarschen gilt der Ritter Hugo von Büren. Er verbrachte die Jugendjahre mit seinen Freunden in Deurningen und Weerselo, zwei Orten, die dicht jenseits der holländischen Grenze liegen. Als dort der Raum für die wachsende Schar nicht mehr ausreichte, bat er die Gräfin Gertrud von Bentheim um einen geeigneten Platz in ihrer Grafschaft. Die Gräfin verwies ihn „wyt in de Mersche“ in die weiten Sumpfwiesen, die im nördlichen Teil ihrer Grafschaft lagen. In dieser unwirtlichen Gegend gründete er mit den Seinen das Kloster.

Zum ersten Abt wählten die frommen Männer und Frauen 1152 den Mönch Hildebrand von Utrecht. Bischof Franz von Münster, in dessen Sprengel sich die Siedler niedergelassen hatten, stellte 1154 die Urkunde über die Klostergründung aus.

Die Kirche wurde neben einem alten Eibenbaum errichtet. Sie bewahrte jahrhundertelang ein Bild der Gottesmutter auf, die ein Jesuskindlein auf dem Arm trug. Es war aus Holz gefertigt, mit Gold- und Silberblechen beschlagen und bildete das Ziel der Verehrung für viele Wallfahrer, die nach Wietmarschen pilgerten.

Eine alte Überlieferung berichtet, dass in früheren Zeiten einmal eine Gräfin von Bentheim, deren Tochter dort Priorin war, das Kloster besuchte. Dabei sah sie das Marienbild und gewann es lieb. Als sie nach Hause fuhr, nahm sie es mit und stellte es in Bentheim an einem würdigen Platze auf. Am nächsten Morgen wollte sie es andächtig betrachten. Doch es war zu ihrem Erstaunen und Entsetzen verschwunden. Man suchte es mit Eifer im ganzen Lande und fand es endlich in Wietmarschen am alten Orte. Die Gräfin wiederholte ihre Versuche noch oft, aber immer mit demselben Misserfolg, so dass sie ihr Vorhaben schließlich aufgab, weil sie eingesehen hatte, dass die Gottesmutter Maria in Wietmarschen für immer bleiben wollte.

(nach Johann Caspar Möller)