Runde Geburtstage an der Kivelingskette

Königsplaketten von 1670 und 1770 erzählen Lingener Geschichte

Die Königsketten der Kivelinge sind wertvolles Kulturgut, denn sie erzählen Lingener Stadtgeschichte

Vor 300 Jahren war Kivelingsfest in Lingen. Wie jedes Jahr damals – wenn nicht Krieg oder Unglück das Fest verhinderten. Wer den Vogel Pfingsten 1670 abschoss, das überliefert bis heute eine silberne, äußerlich vergoldete …

Die 350 Jahre alte Königplakette von Johann Schott aus dem Jahre 1670

Plakette an der Königskette der Kivelinge. Und die nennt für jenes Jahr als König Johann Schott und auf der Rückseite als Königin Theodora Sticksel. Außerdem zeigt die Plakette die Hausmarken beider Familien. Hausmarken waren Familienzeichen der Bürger und Bauern, die früher als Wappenersatz verwendet wurden. Helmzier und Lorbeerkranz wie auf der Plakette gehörten eigentlich nicht zu einer bürgerlichen Hausmarke, waren einem Königspaar der Kivelinge aber sicherlich angemessen.

Doch wer waren diese beiden jungen Leute aus Lingen? Familienforscher Hans König vom Emslandmuseum hat in den Archiven gestöbert und die Fakten zusammengetragen. Johann Schott, auch Schotte oder Scotte genannt, war kein Schotte, sondern ein Lingener Bürgersohn. Sein Vater führte den Hausnamen Schothuis. Die Mutter hieß Gisberta Sperinck und stammte vermutlich vom gleichnamigen Bauernhof in Brümsel. Im Januar 1648 – in Münster und Osnabrück wurde noch über den Westfälischen Frieden verhandelt – wurde der Sohn Johann Schotte in Lingen geboren. Er war also 22 Jahre alt, als er den Königsschuss bei den Bürgersöhnen tat.

Fünf Jahre später wechselte Johann Schotte aus dem Kivelingsstatus in den Ehestand und heiratete Anna Schülkens aus Lingen. Als diese 1682 starb, ging er eine zweite Ehe ein mit Christina Mudde, Witwe des Johann Hermann Keiser. Schotte starb 1708 in Lingen.

Seine Königin Theodora Stickels wurde 1649 in Lingen geboren. Ihr Vater Johann Stickels stammte allerdings aus Groningen und hatte 1630 in Lingen Tobitha Jansen geheiratet. Als diese starb, heiratete er 1647 in zweiter Ehe Anna Willems, die Mutter der späteren Kivelingskönigin. Theodora Stickels heiratete sieben Jahre nach ihrer Regentschaft 1677 in Lingen einen Bernardus Uhlenberg, dessen Vorfahren vermutlich vom gleichnamigen Bauernhof in Lengerich stammten.

Aus den Jahren nach 1670 sind übrigens keine Königsplaketten überliefert, denn ab 1672 tobte auch in Lingen der „Zweite Holländische Krieg“ des münsterischen Fürstbischofs Bernhard von Galen gegen die Niederlande, unter dem auch Lingens stark zu leiden hatte. Stadt und Grafschaft Lingen wurden zunächst von münsterischen Truppen und dann von niederländischen Soldaten besetzt. Beide Kriegsparteien plünderten die Bevölkerung rücksichtslos aus. An Kivelingsfeste war nicht zu denken und die Bürgersöhne taten gut daran, ihre Königskette gut zu verbergen. Erst für 1682 ist wieder ein Königspaar nachweisbar.

Hundert Jahre später wurde ebenfalls tüchtig gefeiert. Mittlerweile fanden die Kivelingsfeste im bis heute üblichen Dreijahresrhythmus statt. 1770 gab es offenbar einen Überraschungskönig, denn die Königsplakette jenes Jahres überliefert auf der Rückseite einen entsprechenden Sinnspruch in niederländischer Sprache, der wohl vom König selber in launigen Reimen verfasst wurde:

I.H. MEYER

Ik ben konig gewesen tot drie jaaren toe

Ja! hoe was ik doen te moe!

van Slegt Soldaat daar toe gereesen

Hoord ik niet dan al te ras

ik wou dat het nu een ander was

1770

Frei übersetzt:

Ich bin zum König gewesen drei Jahre zuvor

ja, jetzt komm ich mir müde vor

vom einfachen Soldaten zum König erkoren

vernahm ich überraschend von der Ehre

und wollte, dass es nun ein anderer wäre

Sinnsprüche finden sich um diese Zeit auf den Königsplaketten häufig, aber in der Regel sind sie in hochdeutscher Sprache verfasst. Warum König Meyer die niederländische Sprache wählte, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Außergewöhnlich ist auch die quadratische Form der Plakette mit einem aufwendig verzierten Rand. Die Vorderseite zeigt ein großes Ornament mit verschlungenen Bändern, die Inschrift ist auf der Rückseite eingraviert.

Kivelingskönig 1770 und Stifter der Plakette war der damals 18-jährige Johann Heinrich Meyer, Sohn des gleichnamigen Vaters und der Ehefrau Angela Meyer, geborene Overhues. Meyer stammte also aus einer alteingesessenen Familie. Aus welchem Grund ihn der Erfolg beim Königsschuss überraschte und ihm seine dreijährige Regentschaft allzu lang erschien, ist nicht überliefert. Aber beides kommt ja bei den Kivelingen schon mal vor.