„Hochtied“ und „Hahnholen“

Hochzeitsbräuche im Emsland

Bauernhochzeit in Freren, um 1950

Die Monate mit dem schönen Wetter und den langen Sommerabenden waren und sind die Zeit der Hochzeitsfeiern. Im Emsland nahmen daran früher mindestens

Der Hochtiedsnöger lädt die Gäste persönlich zur Hochzeit ein

hundert, bei großen Bauernhochzeiten sogar mehrere hundert Gäste teil. Ein „Hochtiedsnöger“ zog von Haus zu Haus und lud alle Gäste mit einem Gedicht persönlich ein. Stand die Anzahl der Teilnehmer fest, dann begannen die Vorbereitungen für die Feier und das Festessen. Dabei engagierten sich besonders die Nachbarn, die für das Kochen und die Bewirtung zuständig waren.

Vor der Hochzeit holten Nachbarn und Verwandte die Aussteuer der Braut mit dem „Klendewagen“ in ihrem Elternhaus ab. Beim Auf- und Abladen gab es immer viel Schabernack und unterwegs musste der Wagen immer wieder halten, weil Anlieger den Weg versperrten und erst nach einem „Schluck ut de Pulle“ wieder freigaben.

Die Feier fand auf dem Lande in der Regel zu Hause statt. Tagelange brachte man Haus und Hof in Schuss, baute Tische und Bänke auf und schmückte die Diele mit Birkengrün. Nun konnten die Vorbereitungen für das Hochzeiten beginnen: das Schlachten der Hühner und das Kartoffelschälen. Die Nachbarn brachten Schinken für den Hochzeitsbraten und hängten den Kranz mit dem Heiratsschild über dem Dielentor oder der Haustür auf.

Die kirchliche Feier fand früher meist in kleinem Kreis statt. Mit der geschmückten Hochzeitskutsche kehrte das frisch vermählte Brautpaar dann unter Böllerschüssen zum Hochzeitshaus zurück. Dort hatten sich mittlerweile die Gästen versammelt und begrüßten lautstark die Neuvermählten.

Einen ersten Höhepunkt bildete die symbolische Übergabe des Haushaltes von der Schwiegermutter an die Braut. Schauplatz waren das geschmückte Dielentor oder in ganz alten Zeiten auch das Herdfeuer in der Küche. Danach begann auch schon allmählich das Mittagessen, das sich mit mehreren Gängen über einige Stunden hinziehen konnte. Zwischendurch machte der Hochtiedsnöger seine Späße und vor dem Nachtisch baten die Köchinnen unter Topfdeckelschlagen um eine Trinkgeld für ihre Mühen.

Den Nachmittag vertrieben die Gäste sich mit Spaziergängen durch die Nachbarschaft und dem obligatorischen Kaffeetrinken. Abends gab es ein weiteres Essen und danach Musik und Tanz auf der Diele. Der Alkoholpegel stieg unterdessen rasch an.

Um Mitternacht folgte auf den Braut- oder Schleiertanz das traditionelle „Inkappen“ der Braut. Die Nachbarinnen setzten ihr dabei unter vielen Späßen die Frauenhaube auf und damit war die junge Braut in den Stand der Ehefrau und in die Nachbarschaft aufgenommen. In manchen Dörfern und Bauerschaften gibt es diesen Brauch noch heute. Nach Mitternacht zog sich das Brautpaar allmählich zurück, während die unermüdlichen Gäste noch lange weiterfeierten.

Am nächsten Morgen schliefen sich alle aus und trafen sich dann zum „Hahnholen“. Die verbliebenen Speisen und Getränke wurden kurzerhand beschlagnahmt und auf den Nachbarhöfen war an diesem Tag das Federvieh zur allgemeinen Jagd freigegeben. Man zog durch die Nachbarschaft und feierte locker in fröhlicher Runde. Für die Nachbarn, die am Hochzeitstag ja fleißig geholfen hatten, war diese Nachfeier das eigentliche Fest.

Dieses Straßenschild gibt es wohl nur im Emsland