Johannestag und Sommersonnenwende

Planetenbahnen und Kulturgeschichte

Der längste Tag im Jahr markiert die Sommersonnenwende

Bei Sonnenschein haben die Menschen meistens gute Laune, besonders wenn es vorher tagelang geregnet hat und man die Sonne kaum gesehen hat. Das ist vor allem im Winter häufig der Fall. Daher unterscheide man auch zwischen dem „Wonnemonat Mai“ und der „Novemberdepression“. Ob gerade Sommer oder Winter ist, ob die Tage

Juniabend im Emsland

lang oder kurz sind, das obliegt bekanntlich den Bahnen der Planeten im Weltall und damit ganz allein den Gesetzen der Physik. Aber wollen wir uns am Ende von denen vorschreiben lassen, ob wir gerade gute oder schlechte Laune haben?

Ja, man kann etwas dagegen tun. Nicht gegen die Physik, aber gegen die schlechte Laune. Gegen die Wintersonnenwende (2021: 21.12., 16.58 Uhr) setzen wir das Weihnachtsfest (2021: 25.12., ganztägig) und das Stephanussteinigen (2021: 26.12., soweit die Kräfte tragen) noch obendrauf. Und zur Vorbereitung gibt es einen Advent mit Kerzen und Liedern sowie einen Weihnachtsmarkt mit Glühweinkirmes. Beides ist nicht jeder*manns*fraus Geschmack, aber es macht immerhin gute Laune.

Kommt die Botschaft aus dem Himmel?

Zur Sommersonnenwende (2021: 21. Juni, 5.32 Uhr) haben wir meistens schon gute Laune: bei Schützenfesten und Hochzeiten, wenn nicht gerade Corona ist, im Garten und in der Natur sowieso. Die Kirche hat noch einen draufgesetzt: den Johannestag, also den Geburtstag des Heiligen Johannes des Täufers. Dessen Geburtsdatum hat man nämlich auf der Grundlage von dubiosen Schwangerschaftsangaben in der Bibel mit geradezu astronomischer Präzision berechnet und kam am Ende auf den 24. Juni, also fast auf die Sommersonnenwende. Johannes ist übrigens, außer Jesus und Maria, der einzige Heilige in der Bibel, dessen Geburtstag bekannt ist und gefeiert wird. Und so markiert die Sommersonnenwende in Juni den Geburtstag Johannes des Täufes und die Wintersonnenwende am Weihnachstfest die Geburt Christi.

Johannes der Täufer (Mitte) im Zentrum der Kirche in Lengerich

Eine theologische Interpretation dieser faszinierenden biblischen Gestalt, er lebte in der Wüste und ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig, überlassen wir an dieser Stelle gerne den Neutestamentlern (https://www.bibelstudium.kaththeol.uni-muenchen.de/hintergruende/palaestina/joh_d_t/joh_d_t_auftreten/index.html) und verweisen nur darauf, dass Johannes zu Zeiten Jesu zur radikalen Umkehr aufrief, diese selber lebte und damit aus der Sicht der Herrschenden das Volk aufstachelte. Er taufe im Jordan, noch bevor der Heilige Geist die christliche Kirche dazu ermächtigte und er war es, der in Jesus den Messias erkannte. Das alles reichte für eine grausame Hinrichtung, die seit zwei Jahrtausenden Künstler unterschiedlicher Couleurs zu dramaturgischen Höhenflügen inspiriert hat. Denn als die Tochter des Herodes ihren eigenen Vater durch einen Tanz bezirzte und er ihr in dieser Laune, typisch Mann, dummerweise einen Wunsch freigab, verlangte die grazile Tänzerin plötzlich in blutrünstiger Weise das Haupt (= den Kopf) des Johannes, das ihr schließlich wunschgemäß auf einem Teller präsentiert wurde. So berichtet es die Bibel, so wird es in der Kunst gerne dargestellt und bestimmt war es danach noch eine schöne Feier. Kurzum: eine Steilvorlage für ganz großes Kino.

In vielen Gegenden sind mit dem Johannestag besondere Bräuche verbunden. In meinem Heimatort Coesfeld wurde früher an diesem Tage den Armen ein kostenloses Johannesbrot überreicht, jedenfalls denen, die sich auf den Weg zu einer weit entfernten Kapelle begaben und dort tüchtig beteten. Aus dem nördlichen Münsterland führte an diesem Tag eine große Prozession zur katholischen Johanneskirche in Bentheim. Um den Heiligen zu verehren, aber auch, um die wenigen Katholiken in der dortigen Diaspora zu unterstützen.

In unserer Region erinnert wenig an den frommen Propheten – für die Emsländer war er offenbar zu radikal in seiner Forderung zu Umkehr und Erneuerung.

Johannes der Täufer an der Brücke über den Ems-Vechte-Kanal in Elbergen (Bildhauer: Friedel Kunst, Lingen)

Die Kirche in Elbergen steht immerhin unter seinem Patronat und am Ems-Vechte-Kanal, an der Überfahrt zur Elberger Schlipse, steht seit 1990 eine etwas eigenartige Skulptur des Heiligen. Vielleicht weisen die Risse, Brüche und Unebenheiten im Beton ja auch den Lebensweg dieses am Ende gescheiterten Propheten der radikalen Umkehr hin.

Johannes der Täufer in der Kirche in Lengerich

Ganz traditionell erscheint dagegen die Darstellung Johannes des Täufers in der Kirche in Lengerich. Die Figur ist eines der wenigen Kunstwerke, die noch aus der katholischen Notkirche aus dem 18. Jahrhundert stammen. Die hochgewachsene Gestalt zeigt die typischen Attribute des Heiligen Johannes Baptist: ein Schaf und einen Umhang aus einem Kamelfell. Dazu ein Bart und eine etwas zottelige Haartracht. Kurzum: eine bizarre Gestalt aus der Bild, ein wilder Mann, sicherlich nicht nur äußerlich: https://www.feinschwarz.net/johannes-der-taeufer-annaeherungsversuche-an-einen-wilden-mann/