Stadt des Erdöls – Lingen in den 50er Jahren

Fotografien von Ernst Korte

Die Erdölraffinerie in Holthausen nahm 1953 ihren Betrieb auf

Ernst Korte (1904-1986) war der jüngere Bruder des Lingener Hobbyfotografen Clemens Korte. Nach einer Schneiderlehrer, einem längeren Auslandsaufenthalt in Brasilien und einer Tätigkeit beim Eisenbahnwerk machte sich Korte nach dem zweiten Weltkrieg als Berufsfotograf selbstständig. Zeitlebens war er auch

als Sportler erfolgreich. 1965 erhielt er eine Anstellung bei der Erdölraffinerie und arbeitete dort als Werksfotograf.

Korte arbeitete in den 50er-Jahren als freier Fotograf für verschiedene Ansichtskartenverlage. Seine Postkartenmotive zeigen Lingen im Umbruch von der traditionellen Eisenbahnerstadt zum Standort der Erdölindustrie. Luftaufnahmen aus dieser Zeit dokumentieren die ausgedehnten Werksanlagen der Raffinerie am Kanal in Holthausen mit ihrer Skyline aus Schornsteinen und Cracker-Türmen. Auch die neuen Werkshallen der Schachtbau an der Waldstraße boten ein interessantes Motiv – im Hintergrund die Maria-Königin-Kirche mit den neuen Wohngebieten und der Marienschule in einem früheren Dünengelände „In den Sandbergen“.

Bekannt wurde Kortes Aufnahme vom Neubaugebiet Heukamps Tannen. Das Foto schoss er vom Turm der soeben erbauten Trinitatiskirche an der Jägerstraße. Gerade sind die ersten Bewohner in die typischen weißen Häuser der Nachkriegszeit eingezogen. Wäsche hängt auf der Leine und Gärten werden angelegt. Viele Flüchtlingsfamilien aus den deutschen Ostgebieten haben hier eine neue Heimat gefunden.

Das ZeLi-Kino im Ortsteil Damaschke

An vielen Stellen rings um die Stadt entstehen damals neue Wohngebiete. Eine besondere Attraktion im Stadtteil Damaschke bildet das ZeLi-Kino, eine Abkürzung für den Betreiber Siegfried Zellner. Das Kino war kombiniert mit einem Kaufladen, einem Kiosk und einer Automatenwand, an der die Kunden sich rund um die Uhr Zigaretten, Kaugummis und Süßigkeiten angeboten ziehen konnten.

Die Tankstelle Kösters an der Haselünner Straße

Neu im Stadtbild waren seinerzeit auch die vielen Tankstellen mit einer vergleichsweise futuristisch wirkenden Architektur aus weißen Fliesenwänden und flachen Betondächern, die einen Hauch von Moderne und Amerika vermitteln sollten. Meist waren die Tankstellen damals noch kombiniert mit einer Autowerkstatt, die nicht nur Scheibenwischer oder Scheinwerfer reparierte.

Beton war der Baustoff der neuen Zeit. Der Lingener Mühlenbach erhielt eine Einfassung aus Betonplatten und die neue Emsbrücke bei Schepsdorf entstand als kühne Betonkonstruktion mit einer für damalige Begriffe beachtlichen Spannweite. In den 50er-Jahren war man davon überzeugt: dieses Bauwerk würde ewig halten.

Die Erdgeschosse der alten Häuser in der Innenstadt verwandelten sich dank Stahl und Beton in großflächige Ladenlokale mit großen Schaufenstern, die man bei Dunkelheit mit einer elektrischen Beleuchtung in Szene setzte. Ein völlig neues Shoppinggefühl in den 50er-Jahren!

Beliebte Freizeitziele waren in der damaligen Zeit die Wilhelmshöhe und die Ausflugsgasthöfe in Schepsdorf. Die Wege entlang der Ems luden zu Spaziergängen ein und in den Sommermonaten lockte an heißen Tagen die Emsbadeanstalt die Lingener an das Emsufer in Schepsdorf.

Ernst Kortes Fotos aus den 50er-Jahren vermitteln den Eindruck einer Stadt im Aufbruch, die sich zu einem modernen Industriestandort mit starker Infrastruktur und attraktiven Wohngebieten entwickelt. Ein Aufschwung, der in Lingen bis heute anhält.