Flurnamen im Emsland
Fährt man von Schapen nach Beesten geht – noch auf Schapener Gemeindegebiet – von der L57 ein kleiner Weg ab, der den Namen „Im Slatt“ trägt. Wenige Meter westlich gesellt sich der „Slattgraben“ dazu, der im Bereich des Erlenweges seinen Lauf nimmt und in den Kohlbrandgraben mündet. Beide Namen gehen auf eine Flurbezeichnung „Slatt“ zurück. Aber was ist das eigentlich? Was muss man sich unter einem Slatt vorstellen?
Auf einer um 1855 entstandenen „Handzeichnung von der Feldmark Schapen“ ist der Flurname „im Slat“ verzeichnet. Landesarchiv Niedersachsen, Abteilung Osnabrück, K, Akz. 36/1998 Nr. 133 H.
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, weil sich die Gelehrten um die Bedeutung der Bezeichnung seit dem 19. Jahrhundert den Kopf zerbrochen haben. Und bisher sind sie zu keiner einhelligen Meinung gelangt. Einige sind der Ansicht, der Ausdruck sei zu slada ‚Talung, Schlucht‘ zu stellen. Allerdings lässt sich das Wort in dieser Bedeutung nicht sicher nachweisen. Zudem tritt der Begriff im Namen nordwestdeutscher Flurorte auf, denen jedoch gänzlich der schlucht- oder talartige Charakter fehlt. Deshalb ist man auf den Gedanken gekommen, dass vielleicht auch Mulden oder kleinere Vertiefungen mit dem Wort benannt worden sein könnten.
Andere Forscher vermuten eine Verwandtschaft mit Schlot, also dem ‚Kamin, Rauchfang‘, und setzen somit für Slatt die Bedeutung ‚Flechtwerk, Gerüst, Zaun‘ an. Grundlage dieser Überlegung ist ein althochdeutsches Wort slât, das mit ‚Darre‘ zu übersetzen ist und lautgesetzlich im niederdeutschen slâd gelautet hätte. Allerdings ist dieses Wort mit dem a als Stammvokal ebenfalls nur recht unsicher in späteren, abschriftlichen Textzeugen überliefert. Hier könnten also Abschreibfehler vorliegen. Darüber hinaus passen die speziellen Bedeutungen ‚Schlot‘ und ‚Darre‘ nicht unbedingt zu einem häufig auftretenden Flurnamen und die weitergehende Auslegung als ‚Flechtwerk, Gerüst, Zaun‘ bleibt ohne eindeutige Belege spekulativ.
Auf der „Generalkarte der Schapener Mark“ von 1857 steht „Im Schlatt“ verzeichnet. Landesarchiv Niedersachsen, Abteilung Osnabrück, K, Akz. 36/1998 Nr. 134 H.
Hilfreich zur Beantwortung dieser Frage sind zusammengesetzte alte Flurnamen, die ebenfalls mit Slatt, Schlat oder Schlade gebildet wurden. So finden sich etwa im Oldenburgischen: „dat swarte Slatt“, „dat blanke Slatt“, „dat Moorslatt“ oder „dat Poggenslatt“. Ferner kommt bei Altena ein „Mollenslat“ im Zusammenhang mit einer Wassermühle vor. Vor allem letztere und die Flurbezeichnungen Moor- und Poggenslatt deuten schon eine Richtung an. Es dürfte sich bei einem Slatt um ein Gewässer handeln. Denn die Poggen sind im Niederdeutschen nichts anderes als ‚Frösche‘.
Der Geometer Siekendiek benannte 1796 einen Teich bei Brochterbeck als „Im Schlaat“. Landesarchiv NRW – Abteilung Westfalen – W 051/Karten A Nr. 414.
Diese Vermutung wird bestätigt durch eine Karte des in preußischen Diensten stehenden Geometers Johann Hermann Siekendiek (1731–1811) aus Versmold-Bockhorst. Dieser vermaß und kartierte 1796 auch die königlichen Zehntländereien in Brochterbeck bei Tecklenburg (heute Kreis Steinfurt). Am Weg nach Lengerich findet sich auf seinem Plan ein länglicher Teich eingezeichnet, der mit „Im Schlaat“ benannt ist. Wort und Sache werden hier anschaulich zusammengeführt. Ein Slatt war also ein ‚Teich‘, das genannte „Moorslatt“ folglich ein ‚Tümpel im Sumpf‘, das „Poggenslatt“ ein ‚Froschteich‘, das „Mollenslat“ ein ‚Mühlenteich‘.
Ausschnitt aus der Siekendiek-Karte.
Dieses Ergebnis wird auch durch den Blick in die Nachbarsprachen bestätigt: Niederländisch slat meint eine ‚große Pfütze, morastige Stelle‘, friesisch slât den ‚Wassergraben‘ oder die ‚Pfütze‘. Auch in viele Familiennamen ist die Flurbezeichnung eingegangen. So kann man in Nordwestdeutschland auf Schlatmanns, Schlautmanns, Schlamanns oder Schläutkers treffen. Bei den einen ist zwar der Zahnlaut t oder d weggefallen, bei den anderen der Selbstlaut a mundartlich zum Zwielaut au geworden, aber alle weisen trotzdem den gleichen Bestandteil auf: Slatt, Schlat oder Schlade (im Wem-Fall). Und alle hatten einen Vorfahren, der einst an einem Slatt wohnte.