Lingener Straßenverhältnisse waren der Obrigkeit ein Dorn im Auge

Der Lingener Marktplatz um 1860. Emslandmuseum Lingen
Friedrich dem Großen (1712–1786) stank es gewaltig, was er dort aus seinen Grafschaften Tecklenburg und Lingen hören musste – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dem jungen Monarchen, der seit 1740 auf dem preußischen Thron saß, war zu Ohren gekommen, dass in seinen Städten Tecklenburg, Lengerich, Westerkappeln, Lingen, Freren und Ibbenbüren die Straßen so große Löcher hätten, dass viele von ihnen gänzlich unbrauchbar und Durchfahrten zudem kaum möglich seien wegen der zahlreichen Misthaufen, die sich auf ihnen befänden. Diese Verhältnisse führten nach Meinung des Königs nicht nur „zum Despect der Stadt“, also zu ihrer Abwertung, sondern auch zu Unfallgefahren und Verkehrsproblemen. In einer geharnischten „Gaßen-Ordnung“ verfügte er daher am 18. April 1744 Maßnahmen, mit denen die vorgefundenen Missstände abzustellen seien.
Zunächst sollten alle Einwohner der Städte – sie seien von Adel, Geistliche, Amtspersonen oder welchen Standes auch immer – innerhalb von 14 Tagen die Straßen säubern und allen Mist und Kot fortschaffen. Die Verschmutzung entstand übrigens dadurch, dass die Bürger ihr Vieh damals noch in ihren Häusern hielten, das zur Weide durch die Straßen getrieben werden musste. Zum Ausmisten der Ställe und als Düngerlager für die Gärten außerhalb der Mauern, wurden die zahlreichen Misthaufen angelegt. Wer allerdings künftig gegen die neue königliche Anordnung verstieß, dem drohten die Kosten für die Reinigung durch von der Stadt beauftragte Personen. Überhaupt sollte eine solche Straßensäuberung umgehend zweimal in der Woche – mittwochs und freitags – geschehen, bei der „Koht und Müll so fort über Seithe zu schaffen, damit dieserhalb nichts mehr auf der Gaße anzutreffen seyn“. Im Winter sollte jeden Morgen das Eis an Brunnen, Pumpen und anderen Gewässern aufgehackt und fortgebracht werden, damit nicht „die Straßen so wohl für Menschen alß Pferde und Wagen dadurch inpassable gemacht werden“. Ein Stadtdiener sollte fortan jeden Montag die Straßen in Augenschein nehmen, um fehlende Steine oder Lücken im Belag ausfindig zu machen. Mittwochs und samstags sollte er kontrollieren, ob auch wirklich der Unrat weggeschafft worden sei. Darüber war dem Magistrat Bericht zu erstatten. Bemerkenswert ist, dass die Position dieses bei den Einwohnern vermutlich sehr unliebsamen Kontrolleurs rechtlich gestärkt wurde. Seine Bezahlung wurde in der Verordnung genau festgelegt und zudem die Strafe von einem Reichstaler demjenigen angedroht, der die Zahlung verweigerte oder den Stadtdiener „mit groben Worten oder auch gar Thätlich anfahren wollte“. Auch hier sollte nach der Maßgabe verfahren werden: „ohne ansehen der Persohn, wes Würden oder standes er seyn“. Der als Aufseher über die Städte eingesetzte Ortskommissar (commissarius loci) hatte über die Einhaltung und die Verstöße bei seiner übergeordneten Behörde – der Kriegs- und Domänenkammer in Minden – regelmäßig Bericht zu erstatten. Damit sich niemand mit Unwissenheit entschuldigen könne, mussten die Vorgaben dauerhaft öffentlich am Rathaus angebracht werden. Von einer öffentlichen Verlesung ist nichts bekannt. Man ging wohl davon aus, dass die damaligen Städter allesamt lesen konnten.