Lingener Geschichte im Bild (8)

Heute stellen der EL-Kurier und das Emslandmuseum im Rahmen ihrer Serie zum Stadtjubiläum 1050 Jahre Lingen ein ganz besonderes Kunstwerk vor: eine rund 500 Jahre alte, aus Eichenholz geschnitzte Kirchenfigur im Stil der Spätgotik und damit eines der wenigen erhaltenen religiösen Kunstwerke aus der Zeit vor der Reformation in Lingen.

In den 1960er-Jahren wurde die Figur auf einem Bauernhof im Raum Lingen unter dem Stroh auf einem Dachboden entdeckt und an einen Antiquitätenhändler verkauft. Dort sah sie der damalige Museumsleiter Friedrich Hilkenbach und erkannte sofort die hohe künstlerische Qualität, obwohl das Schnitzwerk dick mit Farbe überstrichen war, und erwarb sie für die Museumssammlung.
Im Landesmuseum in Münster erfolgte eine nähere Untersuchung und anschließend die Restaurierung der Figur, die Gottvater auf dem Himmelsthron zeigt. Er ist dargestellt als alter, bärtiger Mann mit einem weiten Gewand und trägt die Papstkrone. Unter den jüngeren Anstrichen fanden die Restauratoren noch Reste einer ursprünglichen farbigen Bemalung und einer Vergoldung der Krone.

Die fehlenden Hände der hielten ursprünglich ein Kreuz mit einer Christusfigur. Hinzu kam vermutlich noch die Darstellung einer Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Die gesamte Gruppe bildete einen sogenannten „Gnadenstuhl“ – eine Darstellung der Dreifaltigkeit mit Gottvater auf dem Himmelsthron, Christus am Kreuz und der Taube des Heiligen Geistes. Dieses Motiv war im Mittelalter sehr beliebt und ist in Süddeutschland und Österreich noch heute weit verbreitet.

Professor Paul Pieper vom Landesmuseum Münster vermutete schon damals, dass die Figur in einer Bildschnitzerwerkstatt in Münster hergestellt wurde und nennt sie „eine bildhauerische Arbeit von höchster Qualität“. Das wird durch neuere Forschungen bestätigt.
Vermutlich stammt das Bildwerk aus der mittelalterlichen Pfarrkirche in Lingen, die mitten auf dem heutigen Marktplatz stand und in der Reformationszeit abgebrochen wurde. Fromme Katholiken versteckten das Bildwerk auf einem Bauernhof, wo die Figur schließlich in Vergessenheit geriet. Das Kreuz, die Taube und die aufgesteckten Hände gingen im Laufe der Zeit verloren.
Die Skulptur im gotischen Stil gehört nicht nur zu den herausragenden Kunstwerken im Lingener Emslandmuseum, sondern ist auch ein wichtiges Zeugnis der Lingener Stadtgeschichte im Zeitalter der Reformation.
