Espel – Kultstätte oder Nutzwald?

Blatt einer Espe. Emslandmuseum Lingen.

Viele unserer Ortsnamen gehen ursprünglich auf Waldbezeichnungen zurück. Sie zeigen, dass es im Mittelalter noch sehr viel mehr Waldfläche gab als zu späteren Zeiten. Auch der Name des Ortes Espel bei Langen östlich Lingens ist ein solcher Geschichtszeuge: um 1150 erscheint er in der Form in Espeloh. Der Name Espel hat mehrere Dubletten, z.B. Espel bei Recke im Kreis Steinfurt (1189 Esperlo), Espeln bei Hövelhof (1446 Espenloh) und den Hofnamen Espel in Lienen (1516 Espell). Die historischen Belege der Namen zeigen, dass sie alle auf eine Ursprungsform *Espe(n)lo(h) zurückgehen (mit einem * wird eine erschlossene Form gekennzeichnet). Der Name ist somit in Espe(n)- und -lo(h) zu trennen.

Sein zweiter Teil ist zu mittelniederdeutsch , lôh ‚Busch, Wald‘ zu stellen. Da dieses Wort sprachlich eng mit lateinisch lucus ‚Hain, Wald‘ verwandt ist und dieser lateinische Begriff in antiken Schriften oft für die „Heiligen Haine“, also religiöse Kultstätten, verwendet wurde, vermutete man im 19. und frühen 20. Jahrhundert, dass die Ortsnamen auf –lo(h) ebenfalls auf germanische Kultstätten hindeuteten. Die Gleichung lo(h) = ‚heiliger Hain‘ ist etwa zu finden beim „Germanenforscher“ Wilhelm Teudt in dessen Schrift „Germanische Heiligtümer. Beiträge zur Aufdeckung der Vorgeschichte, ausgehend von den Externsteinen, den Lippequellen und der Teutoburg“ (4., neu bearb. u. erw. Aufl., Jena 1936). In der Heimatliteratur und in nicht-wissenschaftlichen Werken ist diese Ansicht zum Teil bis heute anzutreffen.

Dabei sprechen die Belege für die frühere Bedeutung des Wortes –lo(h) eine ganz andere Sprache: lo(h) ist ein Gebüsch, ein Gehölz, das zur Waldweide des Viehs oder zur Niederwaldwirtschaft genutzt wurde. Bei der Niederwaldwirtschaft handelt es sich um eine forstliche Betriebsart, bei der die Laubholzbestände alle paar Jahre dicht am Boden kahl geschlagen werden; der neue Bestand entsteht dann durch Stockausschlag. Das so gewonnene Holz diente als Brennholz und zur Fertigung von Körben, Zäunen, Wänden (vgl. den Ursprung des Wortes Wand, das zum Tätigkeitswort winden zu stellen ist) und Geräten, aber auch der Beschaffung von Gerbstoffen zur Lederbearbeitung aus der gerbsäurehaltigen Rinde durch das Schälen der Laubbäume. Niederwaldfähige Bäume, also solche, die zum Stockausschlag fähig sind, sind die Esche, Buche, Birke, Hasel, Eibe, Erle, Linde, Nuss, Ulme, Weide und die Espe. Dass das hier betrachtete –lo(h) bei Recke ein solcher Nutzwald und kein vorchristlicher Kultort war, zeigt auch der erste Teil des Namens Espe(n)-, der eindeutig zur mittelniederdeutschen Baumbezeichnung espe ‚Espe, Zitterpappel‘ zu stellen ist.

Botanische Beschreibung der Espe. Emslandmuseum Lingen.

Espel meint also das ‚Espengehölz‘. In diesem Wald war einst verstärkt diese Baumart anzutreffen. Das ‚Espengehölz‘ war somit kein natürlicher Mischwald, sondern ein gepflegter, auf die Espe hin zur wirtschaftlichen Nutzung gehaltener Baumbestand. Das Espenholz diente den Menschen zu ganz bestimmten Zwecken. Espenlaub galt etwa als wirksames Arzneimittel gegen die Gicht, war aber auch wohlschmeckendes Futtermittel für Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen. Auch als Werkholz war es beliebt. Der Ortsname Espel erinnert uns heute also noch an eine fast vergessene Waldwirtschaftsform.