Berühmter Mörder, vergessenes Opfer

Vor 200 Jahren wurde „Knapp Gerd“ hingerichtet

„Knapp Gerds Grab“ an der Hinrichtungstätte im Laxtener Wald

Der bekannteste Mörder im Emsland, Gerhard Kruis alias Knapp Gerd, wurde vor genau 200 Jahren am 19. Juli 1825 auf dem Gierenberg in Laxten mit dem Schwert zum Tode befördert. Als „Knapp Gerds Grab“ ist die gruselige Stätte der Hinrichtung mitten im Wald bis heute bekannt und sogar mit einem Gedenkstein markiert – für den Mörder wohlgemerkt! Grund genug, hier einmal an das Opfer und den Mörder, die Hintergründe der Tat und den Ablauf der letzten öffentlichen Hinrichtung im Amt Lingen zu erinnern.

Museumsleiter Dr. Christof Spannhoff an der Hinrichtungsstätte

Der Täter und sein Opfer, Gerdhard Heinrich Langeborg, kannten sich bestens. Langeborg, ein Bauernsohn aus Messingen, hatte sich auf eine Heuerstelle in Andervenne eingeheiratet. Kruis stammte aus einer Landarbeiterfamilie im gleichen Ort und war später in eine Heuerstelle des Bauern Weggert in Suttrup gezogen, aber mit seiner kinderreichen Familie im Laufe der Jahre in Armut geraten. Beide Männer zogen alljährlich den Sommer über als Hollandgänger zur Saisonarbeit in die Niederlande.

Im Sommer 1824 kam es während der Wanderarbeit zu einem Streit zwischen den beide. Der jüngere Langeborg hatte offenbar dem älteren Kruis eine lukrative Arbeitsstelle weggeschnappt. Erst nach längerer Suche fand dieser eine andere, viel schlechte bezahlte Tätigkeit. Darüber war es bei einem zufälligen Treffen in Delft zum offenen Streit gekommen, doch bis zur Rückreise war das Ganze offenbar vergessen, denn beide traten gemeinsam den Heimweg an und unterwegs gab es keinerlei Anzeichen von Feindschaft.

Es bleibt also letztlich unklar, warum Kruis den Langeborg dann kurz vor Thuine bei einer Rast hinterrücks mit einem Knüppel erschlug und ausraubte. Die Tat geschah offenbar im Affekt, denn Kruis musste klar sein, dass er der Hauptverdächtige sein würde und seine Tat nicht vertuschen konnte. Schon am nächsten Tag wurde die Leiche entdeckt, Kruis wurde verhaftet und das geraubte Geld in seinem Haus gefunden.

Alle Indizien wiesen auf einen Raubmord hin, aber letztlich befand der Richter in Osnabrück auf Totschlag. Damit blieb Kruis und seiner Familie die Schande eines unehrenhaften Todes durch das Rädern erspart. Die Hinrichtung mit dem Schwert konnte aber trotz eines Gnadengesuches an den König von Hannover nicht in eine Haftstrafe umgewandelt werden.

Am 19. Juli 1825 wurde das Urteil durch den Amtmann Thesing in Lingen öffentlich verkündet und noch am gleichen Tag durch den Scharfrichter Johann Gottfried Friedrichs aus Osnabrück und seine beiden Henkersgesellen vollstreckt. Den Schauplatz bildete die Lingener Richtstätte auf dem Gierenberg in Laxten.

Der Überlieferung nach standen viele Schaulustige entlang des Weges. Begleitet wurde der Verurteilte vom Amtmann und Vertretern der Justiz. Auch sein Beichtvater, der Lingener Erzpriester Homann, stand ihm auf seinem letzten Weg zur Seite. Er wird berichtet, auch die Laxtener Schulkinder, die Bauern aus Suttrup und viele weitere Schaulustige hätten sich an der Hinrichtungsstätte eingefunden.

Sicher ist, dass die Hinrichtung mit dem Schwert ohne weitere Zwischenfälle erfolgte und der Tote direkt neben dem Richtplatz in einem Sarg bestattet wurde. Das Motiv der Tat schein auf den ersten Blick offensichtlich: Rache für den Verlust des Arbeitsplatzes und Raub des Geldes. Doch Kruis musste fest damit rechnen, dass seine Tat unmittelbar aufgedeckt würde. Oder gab es vielleicht noch einen ganz anderen Grund, der Kruis so in Rage brachte, dass er kurz vor der Heimat die tödlichen Schläge auf Langeborg vollstreckte?

Die erhaltenen Prozessakten liefern hierzu keine Erklärung, denn weil Kruis die Tat frühzeitig gestand, verzichtete das Gericht weitgehend auf die Klärung von Motiven und Hintergründen.

Ungeklärt blieb auch, warum die Beamten bei Kruis nur einen Teil des Geldes fanden, das Langeborg angeblich bei sich führte. Hatte das Opfer mit seinem hohen Verdienst nur geprahlt? Oder war es Kruis doch gelungen, einen Teil der Beute zu verbergen? Und warum ging das Gericht dieser Frage eigentlich nicht nach?

Die Lingener Justizbeamten setzten sich für eine Begnadigung von Kruis ein. Wussten sie und der Beichtvater vielleicht mehr, als in den Akten verzeichnet ist? Bis heute bleibt dieser Mordfall rätselhaft, den Opfer und Täter mit dem Leben bezahlten.