Kampf um das Nordland

Vor 625 Jahren änderte sich die politische Landkarte der Region

Im Vertrag vom 25. Oktober 1400 mussten die Tecklenburger Grafen zahlreiche Besitzungen abtreten. Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Msc. VIII. Nr. 1705.

Im 14. Jahrhundert zählten die Grafen von Tecklenburg zu den bedeutenderen Territorialherren Westfalens. Ihr Kerngebiet um die Tecklenburg war zwar von den Fürstbistümern Münster und Osnabrück umschlossen, doch verfügten die Grafen im Norden und Nordosten über zahlreiche Besitzungen – darunter die Städte und Burgen Lingen, Arkenau, Cloppenburg, Friesoythe oder die Schnappenburg.

Die Möglichkeiten zur Ausbildung einer geschlossenen Landesherrschaft waren allerdings begrenzt. Einige wichtige Gerichte standen unter münsterischer Hoheit, während nur Lastrup, Essen und Löningen tecklenburgisch waren. Auch im Emsland besaßen die Grafen lediglich verstreute Gerichtsrechte. Zudem fehlten ihnen eine größere Zahl von Lehnsleuten und nennenswerter Eigenbesitz an Boden und Bauern. Um ihre Macht dennoch zu festigen, konzentrierten sich die Tecklenburger auf den Bau und die Sicherung von Burgen und Städten. In Cloppenburg und Friesoythe entstanden so erste Verwaltungsbezirke – die Keimzellen einer angestrebten Territorialisierung im Norden.

Bedroht wurde dieses Nordland von zwei Seiten. Der Bischof von Münster hatte bereits 1252 von den Grafen von Ravensberg die Rechte rund um Meppen, Haselünne und Vechta erworben. Zwischen diesen münsterischen Besitzungen lag jedoch ein tecklenburgischer Streifen – ein Keil, der die Verbindung verhinderte. Auch mit dem Bistum Osnabrück kam es zu Auseinandersetzungen um die Gerichte in Schwagstorf und Menslage, die 1350 mit dem Bau der Burg Fürstenau endgültig an Osnabrück fielen.

Drei Burgen und zwei Städte bildeten das Rückgrat der tecklenburgischen Herrschaft im Norden. 1296 ließ Graf Otto von Tecklenburg auf den Fundamenten einer älteren Anlage die Burg Cloppenburg errichten. Sie lag strategisch günstig an der Kreuzung zweier wichtiger Straßen, unweit der aufstrebenden Siedlung Crapendorf. Cloppenburg war zugleich Grenzposten gegenüber der münsterischen Herrschaft Vechta.

Friesoythe, eine wichtige Station des Frieslandhandels, erhielt früh städtische Privilegien. Schon 1308 sind dort drei Jahrmärkte bezeugt. Um die Stadt zu schützen, ließ Graf Nikolaus von Tecklenburg um 1338 die Befestigungen ausbauen und gestattete den Bürgern, einen Teil ihrer Abgaben zum Unterhalt der Stadtmauern zu verwenden. Noch weiter nördlich sicherte die Schnappenburg die Grenze gegen Friesland.

Im späten 14. Jahrhundert gerieten die Grafen allerdings zunehmend unter Druck. Nachdem es bereits wegen der Herrschaft Rheda zu Konflikten mit Münster und Osnabrück gekommen war, schlossen sich 1385 beide Bischöfe zu einem Bündnis gegen Tecklenburg zusammen. Zwar blieb ein erster Krieg ohne territoriale Folgen, doch 1393 erneuerten beide Stifte ihr Bündnis mit dem erklärten Ziel, das Cloppenburger Land zu erobern. In der sogenannten Tecklenburger Fehde wurde die Burg Cloppenburg nach längerer Belagerung im August 1393 eingenommen. Kurz darauf fiel auch Friesoythe, und die Schnappenburg wurde zerstört. Im anschließenden Friedensschluss sollten die Tecklenburger das gesamte Nordland abtreten. Der Konflikt flammte jedoch bald erneut auf. 1400 überfiel Graf Nikolaus II. das Stift Münster, worauf Bischof Otto IV. von Hoya zum Gegenschlag ansetzte und die Burgen Bevergern, Tecklenburg und Lingen besetzte. Im Vertrag vom 25. Oktober 1400 wurde die Abtretung der nördlichen Gebiete bestätigt und um Bevergern erweitert.

Damit verloren die Grafen von Tecklenburg mehr als die Hälfte ihres ursprünglichen Herrschaftsbereichs. Gewinner war vor allem das Hochstift Münster: Es hatte nun eine geschlossene Landverbindung zwischen Ober- und Niederstift geschaffen. Der münsterische Bischof erwarb 1396 auch den Osnabrücker Anteil am Nordland für 1100 rheinische Goldgulden und wurde so alleiniger Herr über Cloppenburg und Friesoythe. Zusammen mit dem südlichen Oberstift (dem heutigen Münsterland) wurde Münster damit zum flächenmäßig größten Hochstift des Alten Reiches. Die Grafschaft Tecklenburg dagegen sank zu einem kleinen Territorium herab mit lediglich zwei befestigten Städten: Tecklenburg und Lingen.