Als die Fotografie ins Emsland kam
Gemeinsam mit dem EL-Kurier präsentieren wir ab sofort wieder an jedem Wochenende eine Bilderserie, diesmal zu Thema
Fotografie im Emsland. „Unser Bildarchiv ist eines der größten und vielfältigsten der Region“ berichtet Gerd Schulte, „die Brandbreite reicht von den Anfängen der Fotografie im 19. Jahrhundert über Propagandafotos aus der NS-Zeit bis zu professionellen Industrieaufnahmen aus den jüngeren Jahrzehnten. Besonders ist bei uns auch der ländliche Raum mit Thema wie Landwirtschaft, Familie, Kirche und Brauchtum vertreten“.
Schulte muss es wissen, denn für das Scannen von Fotos und ganzen Alben sorgt er als Ehrenamtlicher Mitarbeiter im Museum. Das gesamte Archiv ist bereits digitalisiert, und das sind immerhin gut 240.000 Bilder in 6.500 Ordnern. Und dass es weiter mehr werden, dafür sorgt nicht zuletzt Michael Merscher vom Museumsvorstand, der im ganzen südlichen Emsland nach weiteren Fotos und Alben Ausschau hält.
Durch die Digitalisierung können auch viele Motive erfasst werden, deren Originale bei ihren Besitzern bleiben. Die historischen und zum Teil empfindlichen Fotos im Museum werden durch die Digitalisierung geschont, denn man kann sie bequem am Bildschirm ansehen und muss nicht in Alben und Karteikästen blättern.
Geschichte ist das Bild, das wir uns von der Vergangenheit machen. Seit etwa 1850 spielt dabei die Fotografie als Bildquelle eine zentrale Rolle. Welcher Fotograf in Lingen zum ersten Mal auf den Auslöser drückte, ist unbekannt. Aber bereits um 1860 entstand die älteste bekannte Aufnahme des Lingener Marktplatzes. Einige Jahre später bot der Uhrmacher Früke bereits die Anfertigung von Fotoaufnahmen in seinem Atelier an. Als Feinmechaniker besaß er am ehesten die Fähigkeiten, die damals zur Bedienung einer Glasplattenkamera sowie zur Entwicklung und Reproduktion der Aufnahmen notwendig waren. Am Anfang standen die sogenannten „Daguerrotypen“, bei denen das Motiv direkt auf eine versilberte Platte belichtet wurde. Ein Negativ, von dem man Abzüge machen konnte, gab es hier nicht. Diese Technik entstand erst später.
Fotografieren war im 19. Jahrhundert noch eine schwierige Sache für gut ausgebildete Profis. „Schnappschüsse“ waren unmöglich, denn die Kameras mit Holzgehäuse wogen mehrere Kilogramm und Blitzlichter waren noch unbekannt. Nur bei „gutem Licht“ konnten Porträtaufnahmen im verglasten Studio angefertigt werden und auch Außenaufnahmen waren nur bei schönem Wetter und Tageslicht möglich.
Die Belichtungszeiten für Studioaufnahmen betrugen mindestens mehrere Sekunden. Nicht jeder konnte das Blinzeln mit den Augen so lange unterdrücken und so waren häufig Retuschen im Augenbereich erforderlich. Kinder und alte Leute bewegten während der Aufnahmen oft Kopf und Hände. Dann war die Aufnahme „verwackelt“ und musste wiederholt werden. Deshalb brachte man die Personen oft in eine starre Haltung – den Kopf angelehnt, die Arme und Hände auf Stuhllehnen oder ein Tischchen gestützt. Viele alte Personenaufnahmen zeigen diese typische „Studiohaltung“.
Nach 1870 wurde die Fotografie mobiler. Leichtere Kameras und verbesserte technische Verfahren erleichterten den Transport von Apparaten und Stativen, Glasplatten und Chemikalien. Es entstand der Beruf des Reisefotografen, der mit seiner Ausrüstung über Land zog und seine Dienste vor Ort anbot. Scheunentore und aufgespannte Decken bildeten typische Hintergründe für Personenaufnahmen unter freiem Himmel. Alle machten sich fein, wenn der Fotograf seinen Besuch angekündigt hatte. Aufnahmen von Straßenzügen, Häusern und Bauernhöfen entstanden. Doch bis zur Fotografie als Hobby und als Massenmedium sollten noch Jahrzehnte vergehen.
Bald erkannte man auch die Vorteile der Fotografie bei der technischen Dokumentation. Ein Foto konnte rascher erstellte werden als eine Zeichnung und erfasste mit einer Aufnahme viel mehr Einzelheiten und Details. So dienten Fotos bald zur Beweissicherung bei allen größeren Bauprojekten.
„Freizeitfotografie“ hieß damals noch nicht, dass man in der Freizeit fotografiert, sondern das ein professioneller Fotograf Menschen bei ihrer Freizeitbeschäftigung fotografierte, wobei die damaligen fototechnischen Möglichkeiten enge Grenzen setzten. Spontane Aufnahmen waren nicht möglich, die Gruppe musste sich vor dem Fotografen aufbauen und während der Belichtung stillhalten. Ein provisorischer Hintergrund gab dem Bild eine professionelle Note. Auf die Freizeitbeschäftigung verwies man mit entsprechenden Accesoirs, hier Pfeife, Bierglas und Bierfass. Dass die Herren da überhaupt so lange stillhalten konnten…