Mehr Licht!

Wie der Strom ins Emsland kam

Illumination mit Glühbirnen am Marktplatz zum Stadtjubiläum 1928

Im Herbst werden die Tage kürzer und man muss das Licht wieder früher einschalten. Heutzutage nur ein Klick – doch vor hundert Jahre

Mit dieser Lokomobile erzeugte die VEW vor dem Leitungsbau den ersten Strom in Lingen

kam im Emsland noch kein Strom aus der Steckdose. Daran erinnert die aktuelle Folge unserer Serie „Achtung, Aufnahme!“ über die Fotografie im Emsland.

Während die meisten anderen Regionen schon vor dem Ersten Weltkrieg an das Elektrizitätsnetz angeschlossen waren, saß man im Emsland noch lange bei Petroleumlicht und Gaslaternen. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden hier vereinzelt kleine, dezentrale Stromerzeuger. Als Antrieb für den Generator dienten Dampfmaschinen und Verbrennungsmotoren, besonders im ländlichen Raum aber auch Turbinen mit Wind- und Wasserkraft. Oft waren es Mühlenbetriebe und Molkereien, die Strom für den Eigenbedarf erzeugten, aber auch einzelne Häuser in der Nachbarschaft mit Elektrizität belieferten.

In Lingen richtete das Eisenbahnwerk schon 1908 ein eigenes Kraftwerk ein, das bald auch das Krankenhaus mit Strom versorgte. In der Innenstadt brummten mehrere Generatoren, die örtliche Betriebe und ein paar Privathaushalte mit Elektrizität versorgten. Auch der Kinobetrieb Heßkamp in der Marienstraße, das heutige Centralkino, produzierte eigenen Strom für die Filmprojektoren.

In Freren beliefert seit 1910 ein privates Elektrizitätsnetz die Häuser der Stadt

Freren erhielt schon 1910 ein privates Elektrizitätsnetz, das für mehrere hundert Glühbirnen ausreichte, aber vergleichsweise hohe Strompreise verlangte. In Emsbüren versorgten die Brennerei Küpers und die Mühle Rothkötter als „Kraftzentralen“ örtliche Stromnetze. Auch die Klöster in Handrup und Thuine sowie die Schule auf Gut Hange verfügten über eine elektrische Eigenversorgung. Hinzu kamen zahlreiche Kleinstanlagen in Handwerksbetrieben und auf Bauernhöfen.

Eigene Stromversorgung im Kloster Handrup 1933

Leistungsfähig und zuverlässig waren diese Kleinkraftwerke nicht und es kam häufig zu Stromausfällen. Manchmal auch absichtlich, wenn etwa in Schapen der Molkereibesitzer Schäferhoff zu vorgerückter Stunde den Strom abstellte und damit den Zapfenstreich im Dorf markierte.

In den 1920er-Jahren bemühten sich die Stadt und der Landkreis Lingen beide um den Anschluss an das überregionale Elektrizitätsnetz. Die Stadt arbeitete dabei mit der niedersächsischen NIKE zusammen und plante sogar ein eigenes Wasserkraftwerk in Hanekenfähr. Der Landkreis hingegen bevorzugte eine Kooperation mit dem Dortmunder Energiekonzern VEW. Da ein selbständiges Netz für Lingen ohne den Landkreis kaum zu realisieren war, kam es schließlich zum Anschlussvertrag mit der VEW.

1925 bauten die Westfalen eine Hochspannungsleitung von Rheine über Salzbergen und Emsbüren nach Lingen. Von hier aus wurden auch die Orte im übrigen Kreisgebiet versorgt. Zum Stadtjubiläum 1928 war der Lingener Marktplatz mit hunderten von Glühbirnen festlich illuminiert, die den Anbruch einer neuen Epoche in der Stadtgeschichte markieren sollten. Im gleichen Jahr kam eine zweite Stromleitung von Rheine über Freren bis Lengerich hinzu.

Damit waren alle größeren Dörfer und Ortschaften im Kreisgebiet mit dem Überlandnetz verbunden. In entfernten Bauerschaften und auf abgelegenen Höfen musste man sich allerdings weiterhin mit Petroleumlampen und Dieselmotoren behelfen. Erst 1956 wurde der letzte Haushalt im Landkreis Lingen mit dem Elektrizitätsnetz angeschlossen.

Elektriker beim Handwerkerumzug in Freren 1953

Damit entstand auch ein neuer Berufszweig, der heute von größter Wichtigkeit ist: der Elektriker. In Zeiten von Glühbirnen und Drehsicherung konnten sich geschickte Heimwerker aber häufig noch selber helfen, indem sie durchgeknallte Sicherungen mit einem dünnen Draht oder Metallfolie aus Zigarettenschachteln überbrückten.