Stehende Gewässer wurden früher vielfältig genutzt
Es liest sich fast wie eine heutige Umweltschutzmaßnahme, was dort im Jahr 1662 am 25. März verhandelt wurde. Doch ging es vielmehr um unterschiedliche Nutzungsinteressen, über die sich geeinigt werden musste.

Der Kaufvertrag von 1662 im Kopiar des KLosters Gravenhorst. Bild: Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Manuscripte I, Nr. 97.
Damals verkauften mehrere Einwohner des Ortes Estringen im Kirchspiel Bramsche bei Lingen einen Teich, den sogenannten Meerpohl. Dieser scheint zuvor Allgemeinbesitz gewesen zu sein. Zumindest wurde er gemeinschaftlich genutzt. Und bestimmte Nutzungsrechte sollten auch nach dem Verkauf erhalten bleiben. Geschützt werden sollten allerdings die Fische, die sich in dem Teich befanden, und die der Käufer dort zu züchten und zu verkaufen gedachte. Der Käufer war der Lingener Gerichtsschreiber Johann Metting. Als Verkäufer treten mehrere Estringer Bauern in Erscheinung: Widert Weßelinck, Moller Johan, de Boyne, de Schulte, Wessels Johan, de Hocker, de Kracke, Schur Dirick, Tyen Herman und Uhlen Johan sowie deren Ehefrauen und Erben, die dem Verkauf ausdrücklich zustimmten.
Fischzucht vs. Flachswässern
Der Meerpohl lag im Dorf zwischen Moller Johans und Tyen Hermans Besitzungen sowie einer Flur namens Eehck. Die Kaufbedingungen sahen vor, dass der Käufer das erworbenen stehende Gewässer nur als Fischteich gebrauchen darf. Zudem bedungen sich die Verkäufer aus, dass der Teich zu keiner Zeit mit einer Hecke, einem Zaun oder mit Reisigwerk befestigt und eingefriedet werden solle. Denn die Einwohner von Estringen nutzen das Gewässer als Tränke für ihre Kühe, Pferde, Schweine und Schafe – und das sollte auch zukünftig so bleiben. Ferner wuschen sie ihr Vieh in dem Teich. Solange es den Fischen nicht schade, konnte das Gewässer weiterhin in dieser Form genutzt werden. Nicht erlaubt sollte es hingegen zukünftig sein, dass der Teich zum Wässern („Dieken“) von Hanf und Flachs gebraucht werde. Dieser Vorgang war im Prozess der Leinenherstellung wichtig. Flachs oder Hanf „dieken“ bedeutete, dass man die geernteten Pflanzen zum Lösen der Restfaser zwei bis drei Wochen in Teiche („Dieke“) oder Gräben legte. Dabei „verrotteten“ (daher wurden die Gewässer auch als „Röttekuhlen“ bezeichnet) die Pektine im Pflanzenstängel, die die Fasern mit den festen Holzbestandteilen der Pflanze verbinden. Dadurch wurden die Leitbündel aufgeschlossen, die als spinnbare Fasern zur Flachsgarn- bzw. Leinenherstellung genutzt wurden. Das gezielte Verrotten von Hanf und Flachs fand in stehenden Gewässern statt, die durch die Abbauprodukte des Fäulnisprozesses dann nicht mehr als Fischgewässer genutzt werden konnten. Zudem kam es zu einer starken Geruchsentwicklung. Damit Metting den Teich zur Fischzucht nutzen konnte, musste also diese Art der Gewässernutzung unterbleiben.
Vertragsvollzug
Als Zeugen des Vertrages fungierten Jacob Teyssinck, Vogt zu Bramsche, Johan Renseman und Albert Wekamp. Geschrieben wurde er von Berent Custer, der vermutlich wirklich Küster und deshalb des Schreibens kundig war. Hier ist der Beiname also noch durch den Beruf motiviert. Die Verkäufer unterzeichneten das Schriftstück mit sogenannten Merks, Haus- und Hofmarken, das Zeichen für eine Familie und ihren Besitz, das auf Hausrat, Werkzeuge oder als Brandzeichen auf Vieh angebracht wurde.
Ergänzung
Drei Jahre später, am 8. Juli 1665, gestand Gerichtsschreiber Metting noch eine weitere Nutzung im Bereich seines Meerpohls zu. Da diese seinen Fischen nicht gefährlich werden konnten, gestattete er, dass auch Gänse um das Gewässer herum geweidet werden durften. Ansonsten war das Federvieh als Weidegast nicht gern gesehen. Durch seinen scharfen Kot schadete er nämlich den Wiesenflächen. Zudem können Gänse enormen Schaden auf Ackerflächen anrichten, wenn sie nicht beaufsichtigt werden.
Der Gewässername Meerpohl
Der Gewässername Meerpohl hat allerdings nur bedingt mit dem Meer zu tun. Altniederdeutsch –mari, mittelniederdeutsch –mere bedeutet ‚Binnensee‘. Das zeigen auch regionale Vergleichsbeispiele: das Steinhuder Meer, der Dümmer, alt Dium-meri, oder das Drevana-meri, der frühere Name des Heiligen Meeres bei Hopsten. Pohl ist ebenfalls ein Teich oder stehendes Gewässer, dem hochdeutsch Pfuhl entspricht.