Zwischen Kirche und Bahnhof, an Straße und Kanal

Gaststätten im alten Spelle

Hochstimmung beim Betriebsfest der Firma Krone bei Müer an der Theke

Spelle war von alters her kein eigenes Kirchdorf, sondern gehörte als Bauerschaft zur Pfarrei Lünne. Vor Ort stand nur

Die Gasthöfe Frankemöller und Kerk sowie die Kirche und der Bahnhof Spelle auf einer Ansichtskarte von 1902

eine kleine Fachwerkkapelle auf dem Wöhlehof für gelegentliche Gottesdienste. Erst im 19. Jahrhundert begann der Aufstieg Spelles zu einer selbständigen Gemeinde. Um die 1870 erbaute Kirche herum siedelten sich nun mehrere Gasthöfe an, weitere folgten mit der Eröffnung des Bahnhofs Spelle. Auf eine Spurensuche begaben sich Michael Merscher und Andreas Eiynck, mit vielen Tipps unterstützt vom Speller Urgestein Walter Krone. Dieser erinnert sich noch gut an die prall gefüllte Theke bei Kerk am Sonntagvormittag nach dem Hochamt, wenn man sich seinen Stammplatz erst erobern musste. Oder an die besten Grillhähnchen der Welt, die von Hanni Müer in ihrer Gaststätte selber zubereitet wurden.

Die Gaststätte Müer an der Hauptstraße mit dem Bierkeller (links), dahinter die große alte Linde

Diesen ältesten Gasthof im Dorf betrieb seit etwa 1800 die Familie Müer. Das Gasthaus befand sich direkt an der Hauptstraße in einem alten Bauernhaus. Daneben errichteten Müer um die Jahrhundertwende ein unterkellertes Lagerhaus zum Kühlen der Getränke, das als „Müers Bierkeller“ oder „Müers Loch“ weithin bekannt war.

Die Gaststätte, die große Linde und der Bierkeller bei Müer

Zwischen Haus und Garten stand eine Jahrhunderte alte Dorflinde, so dass dieses Gasthaus auch „Zur Linde“ genannt wurde.

Die Gaststätte Segers an der Kirche

Unmittelbar neben der Kirche gründete der frühere Heuermann Segers etwa 1870 das erste Speller Lebensmittelgeschäft, das bald um eine Bäckerei und einen Ausschank erweitert wurde.

Die Gaststätte Frankemölle am Brink neben der Kirche

Nur wenige Meter weiter stand ebenfalls im Schatten des Kirchturms der große Gasthof Frankemölle, auch dieser verbunden mit einer Bäckerei und einer Kolonialwarenhandlung. Markant für das Gebäude war eine schräg gestellte Hausecke zum Kirchplatz mit einem Blindfenster und Blendbögen – ein Meisterwerk der Handwerkskunst eines alt-emsländischen Maurermeisters.

Gaststätte, Kolonialwaren, Manufakturwaren und Poststelle bei Kerk

Nicht weit davon entfernt gründete Heinrich Kerk aus Recke um 1870 eine Gastwirtschaft mit einer Manufakturwarenhandlung. Das Lokal florierte besonders, seit Kerk 1902 auch die Speller Poststelle übernahm.

Eine besondere Attraktion waren die Jagdtrophäen, mit denen die Gaststuben dekoriert waren, darunter ein Antilopengehörn. Ob es wohl noch irgendwo an der Wand hängt? Bei Kerk konnte man vornehm speisen, bekannt war unter anderem der „Salat in sieben Farben“, der dort zu leckeren Fleischgerichten serviert wurde.

Legendär ist bis heute der „Speller Schnapsstreik“ im Jahre 1909. Damals wollten die Wirte des Dorfes den Preis für einen Liter Schnaps von 80 Pfennig auf eine Mark erhöhen. Den jungen Leuten passte das gar nicht und sie bestreikten die Gaststätten. Anstatt sich in den Kneipen aufzuhalten, trafen sie sich im Dorf und im Wald zum Umtrunk. Dies ging mehrere Wochen lang gut, bis es draußen kälter wurde. Der neue Preis von einer Mark pro Liter konnten die Wirte schließlich durchsetzen, aber dafür durfte man den Schnaps bei ihnen auch in geheizten Räumen genießen.

Die Gaststätte „Brüggen Luks“, seit 1906 Krone, südlich der Aa-Brücke in der Nähe des Bahnhofs

Nach der Eröffnung der Bahnstrecke Rheine-Quakenbrück 1879 richtete die Familie Lukas Schütte in ihrem Haus schräg gegenüber dem neuen Bahnhof eine Schankwirtschaft ein, die wegen ihrer Lage in der Nähe der Aabrücke „Brüggen Luks“ genannt wurde. Nachdem der Inhaber Gerhard Evers-Schütte 1905 plötzlich verstorben war, erbte seine Schwester Anna das Anwesen. Sie war verheiratet mit dem Schmied Bernard Krone, der nun in einem kleinen Haus direkt gegenüber eine Schmiede und einen Landmaschinenhandel einrichtete.

Vor der Gaststätte Krone, um 1920

Da bei der Wirtschaft Krone auch eine Viehwaage stand, trafen sich hier die Viehhändler und die Bauern, die gleichzeitig die Kundschaft für die Landmaschinen bildeten. Aus diesen bescheidenen Anfängen entstanden in gut 100 Jahren die heutige Landmaschinenfabrik, der LVD, die Gaststätte und das Hotel Krone.

Vor der Gaststätte Krone, um 1935

Der langjährige Pächter Rolf Nöthe war dafür bekannt, dass er ein sehr gutes Pils zapfte. Das brauchte natürlich seine Zeit. Wenn zum Feierabend der erste Mitarbeiter von Krone in die Gaststätte rüberging, bestellte er daher für die nachfolgenden Kollegen schon mal mit.

Die Gaststätte Geiger an der Adlerstraße

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Spelle weitere Gaststätten gegründet, etwas das Gasthaus Geiger an der Adlerstraße (heute griechisches Restaurant Kreta) sowie das frühere „Stadionrestaurant“ mit Restaurant, Cafè und Disco. Diese Gaststätten sind heute längst Geschichte. Im neuen Ortskern ließen sich weitere Lokale nieder, darunter das Irisch Pub Flanagans Harp. Hinzu kommen mittlerweile eine Reihe weiterer Restaurants mit internationaler Küche.

1977 übernahmen Mary und Gerd Rolfes den „Kegelkotten“ an der Venhauser Straße und machten aus ihrem Lokal eine beliebten Sportler- und Jugendkneipe sowie einen Treffpunkt für das ganze Dorf. Vierzig Jahre leiteten sie die Gaststätte, die regelrechten Kultstatus genoss. Hier war und ist immer etwas los.

Die Gaststätte „Zum scharfen Eck“, heute Spieker-Wübbel, in Venhaus

Im Ortsteil Venhaus besteht seit über 100 Jahren das Gasthaus, heute Hotel Spieker-Wübbel. Wegen seiner Lage in einer engen Kurve der früheren Hauptstraße war diese Gaststätte unter dem Namen „Zum scharfen Eck“ weithin bekannt. Heute kennt man Spieker-Wübbel als florierenden Hotel- und Saalbetrieb sowie als Restaurant mit guter Küche.

Die Gaststätte „Zur Schleuse“ unter Inhaber Keuter an der Schleuse in Venhaus

Mit dem Bau des Dortmund-Ems-Kanals entstand an der Schleuse Venhaus eine kleine Schankwirtschaft, die an verschiedene Pächter vergeben wurde.

Aus einer kleinen Schenke entwickelte sich das Café und Restaurant „Zur Schleuse“ der Familie Struckmann, ein beliebtes Ausflugslokal mit sonntäglichem Kuchenbuffet.

Im Stil der 50er-Jahre: „Wehkamps Milchbar“ in den Barentelgen an der Kanalbrücke

In der Nähe der Kanalbrücke in Venhaus am Rande des Waldgebietes Barentelgen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg „Wehkamps Milchbar“ im typischen Stil der 50er-Jahre errichtet. Heute befindet sich hier das Hotel „Zum Waldwinkel“ der Familie Schmale.

Die alte Gaststätte Bolsmann in Varenrode

Im Speller Ortsteil Varenrode steht eines der ältesten Wirtshäuser der Region, die frühere Gaststätte Bolsmann an der B 70. Der Überlieferung nach bestand dieses Gasthaus schon zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und verdankte die Gründung wohl der Lage an der alten Heerstraße von Rheine nach Lingen. Bis 1792 wurde hier eigenes Bier gebraut. Das 1825 erneuerte Gasthaus gehörte mittlerweile dem Bauern Bolsmann aus Heitel, der es verpachtete. Wirte waren u.a. Heilker, Schmidt und Huser, ein pensionierter Schulmeister, Rauen aus Venhaus, Althelmig und nach dem Zweiten Weltkrieg Heinrich Geiger, der 1965 eine Wirtschaft mit Lebensmittelhandlung in Spelle an der Adlerstraße eröffnete.

Der Neubau des Gasthauses Bolsmann von 1935

Sein Nachfolger in Varenrode, August Höving, baute die traditionsreiche Gaststätte Bolsmann zu einem beliebten Saalbetrieb für durchreisende Busgruppen aus. Das Gasthaus wurde 1935 nach einem Brand neu errichtet und bildet noch immer einen markanten Orientierungspunkt an der B 70.

Ende des 19. Jahrhunderts gründete Heinrich Veerkamp aus Spelle in Varenrode eine zweite Gaststätte, die heute unter dem Namen seines Nachfolgers Büssemaker bekannt ist. Beide Dorfgasthöfe sind heute leider längst Geschichte. Legendär ist die Wirtin Agnes Büssemaker, von der folgende Begebenheit überliefert ist: Sie, die gute Seele des Dorfes, kam am Schützenfestdienstag bei vollbesetztem Hause mit dem Zapfen nicht schnell genug nach. Bald hieß es „Agnes, ik kann nich seihn, dat du stille stäihs, doh us drock ne Runde.“ Auf die Frage der Wirtin: „Bier und Schnaps?“ kam prompt die Antwort: „Von wegen schier Ärpel“, was so viel heißen sollte wie: natürlich Schnaps zum Bier – man isst ja auch keine Kartoffeln ohne Soße!