Fritz Hüsig – ein „Photograph aus Hannover“ in Lingen
Die ersten Fotografen in Lingen hatten offenbar einen schweren Stand. So gab der Uhrmacher Früke gab sein Atelier rasch wieder. 1865 eröffnete Theodor Tobergte ein Fotostudio
in Lingen und warb damit, er habe jahrelang bei einem guten Fotografen in Osnabrück gearbeitet. Doch die Kunden wollten sich nicht so recht einstellen und schon im Jahr darauf ging Tobergte in Konkurs. Im November 1866, passend zum Weihnachtsgeschäft, über dann der Fotograf Fritz Hüsig dessen Atelier.
Hüsig, geboren 1836 in Hildesheim, hatte eine Fotografenausbildung in Hannover absolviert und kannte das Emsland offenbar durch seine Tätigkeit als reisender Fotograf mit der Eisenbahn. Nun witterte er seine Chance und ließ sich der aufstrebenden Stadt Lingen nieder, dem Zentrum des damaligen „Hannoverschen Emslandes“.
An seiner großstädtischen Herkunft ließ Hüsig keinen Zweifel und warb mit dem Motto „Fritz Hüsig – Photograph aus Hannover“. Sein Atelier in Lingen befand sich zunächst im Bahnhofshotel und dann an der Marienstraße. Dort betrieb er auch ein Ladengeschäft für Bilderrahmen und Fotoalben, Tabakwaren und Kanarienvögel, die sogenannten „Harzer Roller“ oder Harzvögel, die wegen ihres rollenden Gesangs damals gerne als Singvögel in Käfigen gehalten wurden. Bald eröffnete Hüsig Filialen in Bentheim und Rheine, in Neuenhaus und im ostfriesischen Rheiderland. Als Reisefotograf war er häufig unterwegs, besonders in den Sommermonaten. Seine Abwesenheit kündigte er in der Lokalpresse an, weil in dieser Zeit in Lingen keine Aufnahmen möglich waren.
Hüsig erledigte Fotoaufträge aller Art: Porträts und Familienbilder, Hochzeitsfotos und Vereinsereignisse, Straßenszenen und Gebäudeaufnahmen, Landschaftsfotografien sowie Dokumentarfotos von Baustellen, Neubauten und technischen Anlagen. Er verkaufte aber auch Fotos von berühmten Persönlichkeiten, etwa vom Kaiser und dem Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst, Bischof Höting von Osnabrück, dem Lingener Dechanten Diepenbrock und Pastor Deitering in Emsbüren.
Im Krieg von 1870/71 bot er Fotos von den französischen Kriegsgefangenen in Lingen an. Seine beliebten Ortsansichten dienten häufig als Vorlagen für Ansichtskarten. Auch die frühen Thronfotos der Kivelinge, der Bürgerschützen und anderer Schützenvereine stammen zumeist aus seiner Kamera.
1871 hatte Hüsig in Lingen eine Familie gegründet und war Vater der Zwillinge Fritz und Louis sowie der Tochter Mimi. Sein Sohn Fritz stieg 1889 in das väterliche Geschäft ein, starb aber schon 1906. Der Vater setzte das Geschäft bis ins hohe Alter fort und starb im Mai 1918. Seine Tochter Mimi hatte den Engländer George Forman geheiratet und konnte wegen des Ersten Weltkriegs nicht an der Beerdigung ihres Vaters teilnehmen. Nach dem Krieg waren Formans aber häufig in Lingen zu Besuch und ihr Sohn Jackie heiratete eine Lingenerin, Else Waldschmidt, so dass die Verbindung nach Lingen erhalten blieb. Nach ihrer Pensionierung zogen die Eheleute Forman-Waldschmidt nach Lingen und wohnten in Schepsdorf.
Das Fotoatelier wurde nach Hüsigs Tod 1919 von einem Fotografen Paul Beckert fortgeführt. Doch die Zeiten nach der Ersten Weltkrieg waren schlecht für ein Fotostudie und Beckert musste das Geschäft bald aufgeben. Die wertvollen Glasplattennegative aus dem Atelier Fritz Hüsig sind leider nicht überliefert, doch in vielen Lingener Fotoalben und Schubladen schlummern noch Fotos aus seinem Atelier.