Bernard Grünberg gestorben

Erinnerungen an einen Ehrenbürger der Stadt Lingen

Bernhard Grünberg als Kind im Garten seiner Eltern an der Georgstraße

Eigentlich sollte an dieser Stelle heute ein großer Bericht zum Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben“ erscheinen, doch den verschieben wir jetzt

Bernard Grünberg (1923-2021)

um 14 Tage. Denn es erreichte uns die traurige Nachricht, dass der Lingener Ehrenbürger Bernard Grünberg im Alter von 97 Jahren in Derby in England gestorben ist.

Dass er als Kind vor den Nationalsozialisten flüchten musste und mit einem Kindertransport jüdischer Kinder nach England entkommen konnte, dass seine ganze Familie im Holocaust ausgelöscht wurde und dass er trotzem später häufig und gerne in seine Geburtsstadt Lingen zurückkehrte, wird man in den nächsten Tagen an vielen Stellen und mit vielen Details nachlesen können. Und eine umfassende Biographie Grünbergs, so konnten wir jüngst aus der Presse erfahren, ist ja auch in Vorbereitung. Daher sollen hier ein paar persönliche Erinnerungen an Bernard Grünberg genügen.

Kennengelernt habe ich ihn, wie könnte es anders sein, durch das Museum. Denn in den 90er-Jahren übergab er dem Emslandmuseum eine Anzahl von Schreinerwerkzeugen, die ihm sein Vater einst nach England geschickt hatte, damit er dort nach seiner Flucht eine handwerkliche Ausbildung machen konnte. Sie werden seitdem sorgsam bei uns verwahrt und ausgestellt.

Er war ein freundliche Mann und so kamen wir auf die Idee, ihn einfach mal zum Abendessen einzuladen. Unsere Kinder wollten wir gut darauf vorbereiten, aber sie kannten ihn schon – von einem Besuch in der Marienschule, bei dem er über sein Schicksal berichtet hatte. Sein Appetit war erstaunlich, sein Erzähltalent unerschöpflich und so wurde es für alle ein langer Abend.

Mit einer Verwandten auf dem Jüdischen Friedhof in Sögel

Bernard Grünberg war damals ja schon ein älteres Semester und bei seinen Aufenthalten in Lingen hetzte er von einem Termin zum anderen: Gedenkveranstaltungen, Empfänge, Berichte in Schulen und, und, und. Seine Energie war enorm.

So entstand die Idee, zwischendurch doch einfach mal einen kleinen Ausflug zu machen, nur zu zweit, zwanglos, irgendwohin. Mal ins Moor, mal nach Lengerich, mal nach Freren, zu Bauer Pott in Gersten zum Melken mit dem Melkkarussel, ins neue Industriegebiet an der Autobahn in Lohne – einfach mal so durch die Gegend fahren, etwas Neues sehen, denn Neues interessierte ihn immer. Oder auch einfach mal die Erinnerungen schweifen zu lassen, die alten Namen noch einmal zu hören, an die Zeit mit den Eltern zurückzudenken oder über Gott und die Welt zu unterhalten. Gelegentlich wurden auch alte Bekannte oder entfernte Verwandte angesteuert.

Oft erzählte er von der Gedenkstätte Beth Shalom in England, wo er sich als Zeitzeuge engagierte und besonders nach dem Tod seiner Frau eine neue Aufgabe fand. Gelegentlich brachte er Gäste aus England mit nach Lingen und eines Tages stand auch ein Besuch in der Gedenkstätte Camp Westerbork auf dem Programm. Dort traf die Besuchergruppe aus Lingen zufällig auf eine Jugendgruppe und einige Jugendliche hatten etwas Schwierigkeiten, sich in die Situation der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs hineinzuversetzen. Bernard Grunberg bekam das beiläufig mit und schaltete sich spontan ein, indem er an seinem Beispiel erzählte, was damals mit einem Jugendlichen und einer ganzen Familie passierte, nur weil sie jüdisch war. Die Jugendlichen waren sichtlich berührt und werden diese Begegnung wohl nicht vergessen haben.

Ach ja, und dann war da noch der Besuch auf der Burg Bentheim. Es war ein ungewöhnlich warmer Tag und er hatte schon ein ziemlich langes Programm hinter sich. Der Aufstieg zur Burg ist steil und anstrengend für einen älteren Herrn. War das nicht eine zu große Strapaze für ihn? – Doch dann stand er am Fuße der Burg und natürlich ging es hinauf. Und die 82 Stufen auf den hohen Turm nahm er auch noch locker mit und genoss die Aussicht über das weite Land. So war er – und so wollen wir ihn in Erinnerung behalten.

Bernard Grünberg 2010 auf dem hohen Turm der Burg Bentheim