Demokratie und Hungerkrise

Das Emsland im Frühjahr 1946

Informationsheft für den Regierungsbezirk Osnabrück vom März 1946

Am 1. März 1946 berichtete die von den Britischen Militärbehörden herausgegebene „Osnabrücker Rundschau“ über eine weltweite

Lebensmittelkrise. Es ging in dem Artikel aber nicht um Hunger in fernen Ländern, sondern um die weitere Herabsetzung der ohnehin schon knappen Brotrationen in Deutschland. Ab dem 4. März erhielt ein „Normalverbraucher“ statt einem Kilo Brot nur noch 500 Gramm Brot pro Woche. Das war eine einschneidende Kürzung, die auch nicht durch die Zuteilung anderer Lebensmittel wie Kartoffeln, Zucker oder Gemüse ausgeglichen wurde. Fleisch und Fett waren auf legalem Wege ohnehin kaum zu bekommen.

Die Briten rechneten mit Protesten aus der Bevölkerung. Daher wies Feldmarshall Montgomery nach Beratungen in seinem Hauptquartier die Britische Regierung auf die Ernährungskrise in ihrer Besatzungszone hin. Und dort lebten über 21 Millionen Menschen, darunter viele Flüchtlinge, Vertriebene und Evakuierte.

Schon in den Monaten zuvor hatte die Militärregierung bereits die Hälfte des Brotgetreides für die britische Zone aus dem Ausland einführen und damit auch bezahlen müssen. Doch nun wurde auf den Weltmärkten das Getreide knapp. Reserven waren in Deutschland nicht mehr vorhanden und die anderen Besatzungszonen konnten oder wollten keine Lebensmittel abgeben. Besonders fehlte der Nachschub aus den deutschen Ostprovinzen jenseits von Oder und Neiße.

Als Ursachen der Ernährungskrise wurden die Maßnahmen der Nationalsozialisten im Rahmen der Kriegswirtschaft, vor allem aber der Mangel an Düngemitteln angeführt. Unter Vorkriegsbedingungen wäre die britische Zone ohne Weiteres in der Lage gewesen, ihre Einwohner selber zu ernähren.

Mehlsack von einer Hilfslieferung aus den USA

Die Hoffnungen richteten sich auf Hilfeleistungen aus den USA, wo Präsident Truman bereits zu einer „Ernährungskonferenz“ einladen hatte: „Der Verbrauch an Lebensmitteln in den Vereinigten Staaten muß herabgesetzt werden, damit den in Not geratenen Völkern in Übersee geholfen werden kann“, erklärte der US-Präsident.

Die Ernährungspolitik in der Britischen Zone wurde 1946 neu organisiert. Durch eine Spezialisierung der Anbauregionen sollte die Produktion gesteigert werden. Der Kreis Lingen mit seinen vorwiegend leichten Böden war dabei vorzugsweise für den Kartoffelanbau vorgesehen. Der noch aus der Kriegswirtschaft stammende Zwangsanbau von Ölfrüchten und Gemüse wurde aufgehoben. Ein grundlegendes Problem, der Mangel an Düngemitteln, konnte hierdurch freilich nicht behoben werden. Lebensmittel würden bis auf Weiteres knapp bleiben.

Gleichwohl begannen im März 1946 auch Ansätze zur Schaffung neuer demokratischer Strukturen. Der von der britischen Militärregierung eingesetzte Osnabrücker Regierungspräsident Petermann warb dafür in einer Broschüre mit dem Titel: „Wiedergeburt der Demokratie“. Darin wurde das von den Briten vorgesehene System der „doppelten Verwaltungsspitze“ auf kommunaler Ebene vorgestellt und erläutert, auf welchen Wegen Entscheidungen in einem demokratischen System auf den Weg gebracht werden.

Auch wenn angesichts der Hungerkrise damals viele Menschen aktuell erst einmal ganz andere Alltagssorgen hatten, so geriet die politische Zukunft doch nicht aus dem Blick.