Borkum oder Bayern

Urlaub anno dazumal

Hier machen Leute aus Lingen Urlaub!

Urlaub und Reisen – das war früher nichts für die emsländische Landbevölkerung, denn wer sollte sich dann um das Vieh, die Haustiere und den Garten kümmern? Eine Tagesreise nach …

In den 20er-Jahren noch ein Abenteuer: Autofahrt über die Alpenpässe

Lingen zum Viehmarkt war so gerade noch möglich und zur Not auch eine Zugfahrt nach Münster. Osnabrück war schon schwieriger erreichbar – denn da musste man in Rheine umsteigen! Hatte man das einmal gelernt, dann konnte man auch in Salzbergen in den Zug nach Holland wechseln und in Bentheim aussteigen.

Ausflug nach Bad Bentheim, um 1910

Die Burg und das Kurbad mit den vielen Gasthöfen gehörten zu den beliebtesten Ausflugszielen der Region und zogen dank der günstigen Eisenbahnverbindung auch viele holländische Gäste an.

Mit der Bahn waren auch die Nordseeinseln leicht zu erreichen – von Emden aus fuhren auch früher schon die Fähren nach Borkum und von Norddeich aus nach Norderney. Preiswert Pensionen sowie Gästehäuser von Kirchen, Vereinen und Verbänden machten einen Strandurlaub auch für Familien erschwinglich.

Zum unbeschwerten Leben am Strand gehörte damals eine züchtige Badekleidung, denn auch die Geistlichkeit ließ sich hin und wieder an der Küste sehen. Ein beliebter Zeitvertreib für gelangweilte Strandbesucher war schon damals der Bau einer Sandburg.

Strandburg für die Puppe „Lotte“

Eine Fahrt nach Hannover war seinerzeit gerade noch als Tagesreise möglich, während ein Besuch in Köln in der Regel mit einer Übernachtung verbunden war. Am liebsten logierte man im Kolpinghaus oder einer der zahlreichen katholischen Pensionen in der Domstadt. Ein Besuch der Kathedrale sowie eine Dampferfahrt auf dem Rhein bildeten die Höhepunkte der Reise, häufig auch noch ein Aufstieg auf den Drachenfels bei Königswinter.

Fahrten ins europäische Ausland waren nicht nur teuer, sondern wegen der Sprache auch schwierig, denn die meisten Emsländer sprachen zuhause nur Plattdeutsch und hatten mit dem Hochdeutschen schon ihre liebe Not. Von Englisch und Französisch ganz zu schweigen. Da vertraute man sich lieber einer organisierten Pilgergruppe an und besuchte die Wallfahrtsstätten in Bayern, fuhr nach Lourdes oder Rom als Zentrum der katholischen Kirche. Evangelische Christen bevorzugten die Lutherstätten in Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Schiffsreisen waren vergleichsweise selten und führten über die Nord- und Ostsee selten hinaus. Vereinzelt wagte man die Reise zu Verwandten in Amerika oder gar in die deutschen Kolonien in Afrika und Südostasien. Dann wurde von jedem Hafen aus den Lieben in der Heimat per Brief über die neuesten Abenteuer und Eindrücke berichtet.

Seit den 20er-Jahren eröffnete die zunehmende Automobilisierung weitere Urlaubsziele. Wer die Berge sehen wollte, fuhr nach Bayern, Österreich oder in die Schweiz. Mutige wagten sich mit dem eigenen Auto über die schwindelerregenden Alpenpässe bis nach Italien.

Seit den 50er-Jahren wurden Urlaubsreisen zum Massenvergnügen. Die Traumländer der Deutschen lagen im sonnigen Süden: an erster Stelle Italien, später auch Spanien, Griechenland und die Türkei. Wer sich nicht in fremde Länder traute, traf in Österreich, der Schweiz und Südtirol auf die deutsche Sprache und Küche. Flugreisen waren in den 60er-Jahren noch seine Sensation – heute sind sie ein Massentransportmittel.

Wohnmobile waren früher unbekannt, aber Camping stand seit den 50er-Jahren hoch im Kurs. Erst im Zelt, dann im Wohnwagen, den man hinter das eigene Auto spannte. Denn Urlaub bedeutet ja nicht nur Luxus, sondern auch ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit. Oder, wie der Emsländer sagt: Urlaub ist, für eine begrenzte Zeit auf den Luxus zuhause zu verzichten!