Musik kam jetzt vom Plattenteller

Als die ersten Diskotheken in Lingen öffneten

Tanzfläche unter Fischernetzen im „Lord Nelson“

Ende der 50er-Jahre entstanden in Deutschland die ersten Diskotheken, in denen statt Livemusik Stücke vom Plattenteller gespielt wurden. Der Trend setzte sich rasch durch und bald öffneten auch in Lingen die ersten „Disko-Tanzlokale“.

Im „Treffpunkt“ an der Lindenstraße (um 1970)

Im „Anker“ an der Lindenstraße gab es damals sonntagsnachmittags noch Tanz mit Musik von einer Tanzkapelle. Doch unter dem neuen Wirt Günter Budnik wurde dort alles anders. Der „Anker“ hieß nun „Treffpunkt“ und später „Whisky-Ranch“. Statt der Musiker standen nun ein Pult mit einem Plattenspieler und ein paar Boxen auf der Bühne. Den Gästen gefiel’s und damit begann eine neue Ära der Musikgastronomie in Lingen.

Inhaber Vito di Giorgi im VAT 69

In einem Anbau des Baugeschäftes Lühn an der Marienstraße eröffnete die aus Italien stammende Familie de Giorgi 1969 die Diskothek „VAT 69“, benannt nach einer damals populären Whiskymarke. Dieses Lokal bildete für ein Jahrzehnt den Mittelpunkt der Disko-Szene in Lingen.

Die Diskjockeys Teddy und Bruno waren bald stadtbekannt und spielten damals alles querbeet, von Popmusik bis zum deutschen Schlager. Es gab eine kleine Tanzfläche, über der bunte Glühbirnen im Takt der Musik flackerten. Zu den Besuchern aus der Stadt und der Umgebung gesellten sich die jungen Bundeswehrsoldaten, die damals noch in großer Zahl in Lingen stationiert waren. Die Sperrstunde im „VAT“ begann zunächst um ein Uhr nachts und wurde später um eine Stunde verlängert.

Da das Lokal meistens gerammelt voll war und in allen Gaststätten damals noch tüchtig geraucht wurde, war die Luft oft zum Schneiden. Dann öffneten die Gäste die Fenster und die laute Musik störte die Gäste des benachbarten Hotels Nave. Auch wenn die „Halbstarken“ mit ihren Mopeds vor dem „VAT“ erschienen und mit den Bundessoldaten ins Gespräch kamen, ging es manchmal lautstark zu. Aber insgesamt waren in dieser Diskothek alle Gäste gern gesehen und das Publikum sehr gemischt.

Die ‚Gandys“ bei einem Livekonzert im Boston

Einen etwas anderen Charakter hatte das Tanzlokal „Boston“ in einem rückwärtigen Gebäude der Gärtner Vette an der Lookenstraße. In dem gepflegten Ambiente traf sich ein entsprechendes Publikum und hier verkehrten auch die „besseren Töchter“ der Stadt. Später nannte sich diese Diskothek die „Tenne“.

Livekonzert im ‚New Orleans‘ an der Kivelingstraße

Ein weiteres Tanzlokal, das „New Orleans“, befand sich in der früheren Gaststätte Voshaar an der Kirchstraße. Auch hier herrschte eine eher gepflegte Atmosphäre. Eine andere beliebte Musikkneipe war die Milchbar bei Amato an der Alten Haselünner Straße. Später hatte dort das „Dante“ seine Räumlichkeiten.

Livekonzert im „Lord Nelson“ Anfang der 80er-Jahre

Ende 1969 gründete Klaus Leonhard an der Nordstraße das „Lord Nelson“. Anfangs ging es dort vornehm zu und es galt sogar Krawattenzwang. Die Räume waren entsprechend dem Namen ganz im maritimen Stil eingerichtet. Unter der Decke hingen Fischernetze und sogar dekorative Ruderboote. Aber bald änderte sich das Publikum und es wurde auch nicht mehr „zusammen“ getanzt. Die Atmosphäre im Nelson wurde dunkel, der Tanz wild und ausdrucksstark. Nun liefen dort auch Platten im Stil des „Underground“, darunter die ganz langen Stücke von Led Zepplin und Deep Purple, zu denen man eigentlich nicht mehr tanzen konnte. Auch die Drogenszene siedelte sich im Umfeld des „Nelson“ an und Lingen galt zeitweise als Hauptumschlagplatz für Drogen aus den Niederlanden.

In den 70er-Jahren verlagerte sich die Disko-Szene dann an die Ausfallstraßen der Stadt. An der Rheine Straße eröffnete Martin Lindner 1979 in einem früheren Nähereigebäude die „Rockfabrik“, eine große Diskothek mit drei verschiedenen Bereichen für unterschiedliche Gäste, acht Bieren vom Fass und vielem mehr. Regelmäßig traten dort auch Live-Bands auf, darunter bekannte Namen wie Ginger Baker, Hermann Brod und die Toten Hosen.

Ein weitere Diskothek war Anfang der 80er-Jahre die „Kulisse“ an der Bahnunterführung in Darme. Erst in den 90er-Jahren entstand dann die Großraumdiskothek „Joker“ am Schwarzen Weg.