Ein ganzes Land schaute auf die Stadt an der Ems
Ein Großereignis, an das sich viele Beteiligte noch immer begeistert zurückerinnern, war der „Tag der Niedersachsen“ 1987 in Lingen. Tausende Akteure aus dem ganzen Bundesland und zehntausende Besucher aus einem weiten Umkreis kamen damals in die Emsmetropole. Viele wunderten sich, wie sich Lingen in wenigen Jahrzehnten von einem Eisenbahnerstädtchen zu einem modernen Mittelzentrum entwickelt hatte.
Mehrere niedersächsische Städte bewarben sich in den 80er-Jahren um die Ausrichtung des „Tags der Niedersachsen“, denn die 1981 eingeführte Großveranstaltung garantierte großen Publikumszulauf, prominente Gäste und überregionale Aufmerksamkeit.
Am Ende überzeugte das Lingener Konzept, bei dem sich die weitläufige neue Fußgängerzone mit dem Marktplatz im Zentrum in eine riesige Festmeile verwandelte.
Bei strahlendem Spätsommerwetter feierte Lingen ein Septemberwochenende mit Kunst, Musik, Theater, Tanz, Spiel und Sport, bildete die Bühle für altes und neues Handwerk, Volkstanz und Trachten. Das vielfältige Programm richtete sich an Menschen aller Generationen.
Der Kulturbereich lockte mit Workshops und Ausstellungen, Autorenlesungen und Plattdeutsch. Im Bereich „Sport und Spiel“ führte die Radwanderfahrt „Quer durch Niedersachsen“ von Wolfsburg aus nach Lingen. Gleichzeitig startete in Hameln der Staffellauf zum Tag der Niedersachsen. Vorführungen verschiedener Sportarten und ein Formation-Fallschirmspringen begeisterten Zuschauer und Aktive.
Eine Vielzahl von Ausstellungen belebte die öffentlichen Gebäude, Schulen und Kreditinstitute in der Innenstadt. Die thematische Bandbreite reichte von Brauchtum in der Lüneburger Heide bis zu Niedersachsens Partnerland Sudan. In der Hauptschule am Wall präsentierten sich die Stadt Lingen und der Landkreis Emsland als Gastgeber. Die Archäologische Gruppe des Heimatvereins zeigte in den Räumen der Dresdner Bank am Markt Fundstücke aus dem Lingener Untergrund.
Im neuen Sparkassengebäude am Markt konnten die Besucher Einblicke nehmen in die Ausstellung „Heinrich der Löwe und sein Evangeliar“. Diese wertvolle mittelalterliche Handschrift hatte die Stiftung erst kurz zuvor erworben.
Verschiedene Handwerkerinnungen vermittelten Eindrücke alter und neuer Handwerkskünste.
Die Baugewerksinnung hatte auf dem Marktplatz eine kleine Ritterburg aus Bruchstein aufgemauert.
Die Interessengemeinschaft Bauernhaus richtete vor dem Amtsgericht einen alten Schafstall aus Fachwerk neu auf. Zinngießer, Schmiede und andere Berufe vertraten das alte Handwerk in Niedersachsen. Zur Unterbringung der vielen Aktivitäten war der Konrad-Adenauer-Ring für den Verkehr komplett gesperrt worden und dort standen große Festzelte in einer langen Reihe.
Die Schirmherrschaft hatte Ministerpräsident Ernst Albrecht übernommen und erschien persönlich zur Eröffnungsveranstaltung auf dem Marktplatz. Dort wurde er allerdings nicht nur von den Kivelingen empfangen, sondern auch eine Gruppe Atomkraftgegner hatte sich heimlich unter das zahlreiche Publikum gemischt.
Als der Ministerpräsident seine Rede begann, enthüllten sie ein Protestplakat mit der Aufschrift: „Nicht Bomben, nicht Atom, nutzt Wind und Sonne für den Strom“. Bis es soweit kam, sollte allerdings noch sehr viel Wasser durch die Ems fließen.
Unvergessen ist bis heute das bunte gestaltete Pausenbild mit verschiedenen Lingener Motive, das der NDR zum Tag der Niedersachsen vorstellte. Damit wurde das neue Lingen der 80er-Jahre im ganzen Bundesland bekannt.