Wo der Wirt in Holzschuhen hinter der Theke stand

Landgasthöfe im Raum Lengerich

An der Theke in der alten Gaststätte Robbe in Lengerich

Wenn die Anzahl der Kneipen pro Kopf etwas aussagt über den Zustand einer Gesellschaft, dann sind wir derzeit sicherlich auf einem Tiefpunkt. Interessant ist aber auch ein Vergleich der Dörfer und Ortschaften. Und in dieser Rangfolge

stand und steht das kleine Dorf Wettrup mit seiner Kneipenszene im Kirchspiel Lengerich mit Abstand an erster Stelle. Das haben Michael Merscher und Andreas Eiynck vom Emslandmuseum vor Ort herausgefunden.

In Wettrup gab es von alters her ein eigenes Gotteshaus, umgeben von vier Dorfgasthöfen: Passe (mit Mühle), Rätker, Struckmann (früher Wempe-Pieper, heute Brans, mit gemütlicher Jägermeister-Ecke) und Schrichte, verbunden mit einer Lebensmittelhandlung und Bäckerei. Dort mussten die Gäste beim Verlassen des Lokals allerdings gut aufpassen, denn früher lief der Schulbach mitten durch das Dorf und direkt vor der Kneipentür führte nur eine schmale Brücke über das Gewässer.

Nach dem Bau der Kleinbahn Lingen-Berge-Quakenbrück siedelte sich am Rande des Dorfes an der Bahnhofstraße der Gasthof Lampen an, der sogar über eine Kegelbahn verfügte und später über die erste Tankstelle im Dorf. Ein weiteres Lokal befand sich außerhalb des Ortes im Kleinbahnhof, so dass die Fahrgäste während der langen Wartezeiten auf den Pingel-Anton keinen Durst leiden mussten. Der Bahnhofsvorsteher Karl Triphaus war gleichzeitig Bahnhofswirt, so dass Zugverkehr und Kneipenbetrieb eng aufeinander abgestimmt waren. Außerhalb des Dorfes lagen noch die Schenkwirtschaften Dallherm und Feldker, in denen man seinen Durst löschen konnte.

Die alten Schankwirtschaft Woltermann, heute Landgasthof Els in Handrup

Im Nachbardorf Handrup befand sich eine uralte Gastwirtschaft auf dem früheren Hof Woltermann. Dort wurde der Überlieferung nach früher auch die Dorfkirmes gefeiert. Durch Einheirat änderte sich der Name der Name der Wirtschaft, heute bekannt als Landgasthaus Els. Die Familie Tieke-Hölting betrieb auf ihrem Bauernhof in Handrup eine kleine Schankwirtschaft. Als dort in der Nachbarschaft in den 20er-Jahren das Kloster gebaut wurde, richtete die Familie auch ein paar Fremdenzimmer ein, denn weibliche Gäste durften ja im Kloster nicht übernachten. Etwa um die gleiche Zeit eröffnete August Lampen aus Wettrup ein Manufakturwarengeschäft in Handrup. Im Neubau des Geschäftshauses wurde 1937 die Gaststätte Lampen gegründet. Im Saal bei Lampen fanden bis in die 90er-Jahre die Abifeiern des Gymnasium Leoninum statt.

Im nördlichen Teil der Lengerich Feldmark, weitab vom Dorf und jeder anderen Ortschaft, lag an der Straße nach Herzlake die Gaststätte „Zur Plümpe“. Der Name bezieht sich nicht auf die Qualität des dort ausgeschenkten Bieres, sondern geht auf eine alte Flurbezeichnung zurück. Betrieben wurde die Plümpe von der Heuerlingsfamilie Sprick. Später übernahm die Familie Kohnen die Heuerstelle und die Gaststätte, die auch viele Schützenfeste bewirtschaftete. Der Überlieferung nach wurde dieser Ausschank im Lengericher Bruch bereits im Jahre 1830 eröffnet. Wenn die Leute früher bei der anstrengenden Feldarbeit mal keine Lust mehr hatten, dann hieß es „Lass die Scheiße liegen, wie gehen nach Sprick“. Und die Kinder sagten: „Wir trinken Regina bei Spricks Fina“. Regina war früher ein beliebtes Sprudelgetränk aus dem Hause Rolinck in Burgsteinfurt.

Der Alte Hof Berlage mit Schankwirtschaft

Zwischen der Plümpe und dem Dorf gab es noch eine weitere Einkehrmöglichkeit, nämlich die Gaststätte im Bauernhaus Beerlage. Sie profitierte ab 1904 von der Nachbarschaft zum Kleinbahnhof Lengerich, der immerhin 4 Kilometer vom Dorf entfernt lag. Da hatte mancher schon den ersten Durst, bevor er in den Zug einstieg.

Der Dorfmittelpunkt von Gersten lag vor dem Bau der Kirche im Ortsteil Drope. Dort standen von alters her die beiden Gasthöfe Keeve und Köbbe, beide ursprünglich kombiniert mit einer Kolonialwarenhandlung. Köbbe war schon früher ein bekanntes Speise- und Tanzlokal mit Saalbetrieb. Die regionale emsländische Küche in diesem Gasthaus hat bis heute Kultstatus.

Mit dem Bau der Kleinbahn und der Kirche verlagerte sich Gerstens Ortsmittelpunkt an die heutige Stelle. Im Kleinbahnhof entstand dort die Wirtschaft Revermann und später wurde direkt gegenüber der Kirche die Gaststätte „Zur Linde“ im alten Bauernhaus Lindemann eröffnet, die bis heute besteht. Auch in Gersten trank man gerne „kurz-lang“ und sagte dazu „dünn vörher“ – also einen klaren Schnaps vor dem Bier.

Vor der Gaststätte Wöste, später Burke in Langen

Auch Langen war bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein Dorf mit mehreren Bauerschaften, aber ohne Kirche und Zentrum. Schon in der Zeit um 1800 ist der Gasthoff Lullmann (später Tegeder) an der Hauptstraße von Lingen nach Lengerich, belegt. Er trug später den Namen „Rauchfang“. Die Gasträume waren im historischen Stil mit holländischen Wandfliesen dekoriert. Schräg gegenüber siedelte sich später der Gasthof Overberg an, der auch über eine Kegelbahn verfügte. An der Kreuzung der Hauptstraße mit dem Weg von Langen nach Bawinkel stand die Gaststätte Wöste, früher ein Heuerhaus mit Viehhandel und Ausschank. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Schwiegersohn Otto Burke das Lokal, das bekannt wurde durch die sangesfreudigen Nachbarn im Ortsteil „Klein Tyrol“, benannt nach einem Hügel, der bei der Flurbereinigung wie vieles andere verschwunden ist. Wenn die jungen Männer zur Musterung nach Lingen mussten, kehrten sie bei der Rückkehr immer bei Burke ein. An diesen Tagen ging es dort hoch her.

Nachdem Anfang des 20. Jahrhunderts in Langen eine Kirche gebaut wurde, entstand direkt gegenüber der Gasthof Wintering, dessen schmuckes Gebäude von 1922 bis heute den Ortskern markiert.

Im Ortsteil Nordholte lag an der Gerstener Straße die Gaststätte „Zum tiefen Brunnen“, betrieben von der Familie Burke-Teismann. Bleibt zu hoffen, dass keiner der Gäste hineingeplumpst ist. In der früheren Bauerschaftsschule befindet sich heute die Gaststätte „Olle Nordholter Schoole“ mit großen Außengelände und vielen Angeboten.

Ein gastronomischer Rundgang durch die Samtgemeinde Lengerich darf nicht enden ohne einen Blick auf die Gaststätte und das Hotel Saller See. In dem uralten Bauernhaus Saller entstand hier zunächst eine rustikal eingerichtete Speisegaststätte, die später um einen großzügig angelegten Hotelbetrieb erweitert wurde. Aufgrund der Lage unmittelbar am Saller See zählt diese Gaststätte ebenso wie das am gegenüberliegenden Ufer befindliche Café zu den beliebtesten Ausflugszielen im südlichen Emsland.

Noch in den 60er-Jahren traf Redakteur Bernhard Teismann im Raum Lengerich auf „die richtigen Dorfschänken, wo der Wirt noch in ‚Holsken‘ und mit aufgekrempelten Hemdsärmeln herumgeht und Schluck und Bier auf den Tisch setzt“. Diese Zeiten sind auch dort längst vorüber. Geblieben sind eine Reihe namhafter Speise- und Ausflugslokale, die nicht nur von Einheimischen gerne aufgesucht werden. In der Lengericher Gegend fand Berni Teismann auch folgende plattdeutschen Kneipenspruch:

Wenn eener kump u nto mi säggt

He maket et alle Lüe recht

Sägg ick to em: „Mien Frönd, mit Gunst

Lähr mi doch düsse schwaore Kunst“