1973 Straßenblockade und Großdemonstration

Vor 50 Jahren Protestaktion gegen Kommunalreform in Schepsdorf-Lohne

Vor 50 Jahren gingen Schepsdorf und Lohne auf die Straße

Vor 50 Jahren erhitzte die Kommunale Gebietsreform wie kein anderes politisches Thema die Gemüter. „Eingemeindung“ lautete das Schlagwort. Vielerorts regte sich Protest und Schepsdorf und Lohne kam es im Mai 1973, vor genau 50 Jahren, zu einer spektakulären Demonstration, in deren Verlauf sogar die B 213 blockiert wurde.

Starker Tobak beim Protest gegen die Kommunalreform

Über tausend Jahre hatten Schepsdorf und Lohne eine Gemeinde gebildet und wollten auch weiterhin zusammenbleiben. Doch die Landesregierung in Hannover entwickelte Anfang der 70er-Jahre bei der kommunalen Gebietsreform ganz andere Pläne. Die Gemeinde Wietmarschen in der Grafschaft Bentheim und die Gemeinde Lohne sollten samt Wachendorf und Schwartenpohl zu einer neuen Gemeinde Wietmarschen zusammengelegt werden und an den Landkreis Lingen kommen. Schepsdorf aber sollte von Lohne abgetrennt und der Stadt Lingen zugeordnet werden. Dahinter stand offenkundig der Plan, Wietmarschen und Lohne mit ihrer dominanten CDU-Mehrheit zukünftig in den Landkreis Grafschaft Bentheim umzugliedern, um dort eine Mehrheit der Union im Kreistag erzielen zu können. Der kleine Ortsteil Schepsdorf aber sollte das Lingener Stadtgebiet abrunden, damit die zukünftige Kreisgrenze nicht über die Emsbrücke bei Schepsdorf direkt vor den Toren von Lingen verlaufen würde.

Bürgerversammlung in Lohne
Gemeindedirektor Aelken
Wütende Bürger
Besorgte Jugendliche

Vor Ort trafen diese Pläne aus Hannover auf keinerlei Gegenliebe. Wietmarschen und Lohne, die sich von alters her nicht gerade freundschaftlich verbunden waren, wollten auf keinen Fall zusammengehen. Schepsdorf und Lohne wollten hingegen auf jeden Fall unter dem Dach einer Gemeinde bleiben.

Die Trecker sammeln sich an der Kirche in Schepsdorf
Demonstration auf der Hauptstraße in Schepsdorf
Fahrzeug mit Protestplakaten

Als die Bevölkerung merkte, dass die Landesregierung nicht von ihren Plänen abrücken wollte, gingen die Einwohner beider Ortsteile unter dem Motto „Schepsdorf-Lohne ungeteilt“ auf die Straße. Am 18. Mai 1973 setzte sich von Schepsdorf aus ein Demonstrationszug mit Treckern und Fahrzeugen in Bewegung, wie man ihn im Emsland noch nicht gesehen hatte.

Protestzug durch Schepsdorf
Auch die Jugendlichen demonstrieren mit
Fahrraddemonstration der Dorfjugend
Protestplakate

Auf den mitgeführten Plakaten wurden die eigenen Forderungen formuliert und das Handeln der Politiker scharf kritisiert: „Rettet die Einheit unserer Gemeinde – kämpft für unser aller Zukunft“; „Wir fordern mehr Demokratie statt Bürokratie“; „Erhaltung statt Spaltung“ und „Was unsere Väter vereint, will Lehners trennen“. Das war der damalige Innenminister in Hannover, der für die Kommunalreform verantwortlich zeichnet.

Der Demonstrationszug legt den Verkehr auf der Bundesstraße lahm

Sperrung der Bundesstraße durch Protestierende

Gegen 15 Uhr erreichte der Protestzug über die B 213 die Siedlung am Rükel. Dort wurden mehrere Treckergespanne quer gestellt und LKWs auf der Fahrbahn geparkt. Bäume wurden gefällt und auf die Straße gezogen. Der Verkehr war unterbrochen und in beide Fahrtrichtungen bildeten sich kilometerlange Staus. Nach ein paar Stunden wurde die Straße wieder freigegeben und die Demonstration zog weiter nach Lohne zur Abschlusskundgebung.

Unterzeichnung der Beitrittsverträge zu Lingen 1974
Die Vertreter der Ortsteile sortieren die Unterlagen
letzte Prüfung des Kleingedruckten
keine strahlenden Gesichter bei den Vertretern der Ortsteile

Die Resonanz war riesig, aber die Politiker in Hannover ließen sich davon nicht mehr umstimmen. Zum 1. März 1974 wurde Schepsdorf aus der neuen Gemeinde Wietmarschen-Lohne ausgegliedert und mit der Stadt Lingen zusammengelegt. Bei der Kreisreform 1977 kam Wietmarschen-Lohne dann an den Landkreis Grafschaft Bentheim.

letzte Gemeinderatssitzung von Schepsdorf-Lohne 1974

Zu einem Spielball umliegender Nachbarn wurde insbesondere der Ortsteil Wachendorf. Er hatte bis 1932 zum Kreis Meppen gehört und kam dann an den Landkreis Lingen. 1974 wurde Wachendorf ein Teil der Großgemeinde Wietmarschen-Lohne. Mit dieser Gemeinde kam der Ort dann 1977 an den Landkreis Grafschaft Bentheim. Bei der Kreisreform stellte man im Lingener Rathaus allerdings fest, dass die Grenzen des neuen Ortsteils Schepsdorf viel zu eng gezogen waren. Daher wurden Rheitlage, Herzford und Wachendorf am 1. Juli 1978 mit dem sogenannten „Vorgartengesetz“ nach Lingen und damit in den neuen Landkreis Emsland umgemeindet. Noch heute erzählt man sich dort, dass die Wachendorfer Bauern in fünf Jahren drei verschiedene Nummernschilder an den Trecker bekamen: erst LIN für den Landkreis Lingen, dann NOH für den Landkreis Grafschaft Bentheim und am Ende dann EL.

Mit dem „Vorgartengesetz“ fand die jahrelange Diskussion um die Neugliederung des Raumes Wietmarschen-Schepsdorf-Lohne ein Ende. Nur CDU-Ratsherr Johannes Böker aus Schepsdorf erklärte seinen Parteiaustritt wegen der Kommunal- und Kreisreform. Er gründete eine unabhängige Wählergemeinschaft (UWG). Damit zog er erfolgreich in das Stadtparlament und in den Kreistag ein.