Seit Jahrhunderten das Zentrum der Stadt

Kein Gebäude in Lingen symbolisiert die Geschichte der Stadt so unverwechselbar wie das historische Rathaus mit seinem Treppengiebel von 1663. Es steht im Mittelpunkt der 126. Folge der heutigen Bilderserie.

Schon in Mittelalter stand an der Stirnseite des Marktplatzes das Lingener Rathaus. Beim großen Stadtbrand von 1548 wurde es bis auf die Grundmauern vernichtet. Die ältesten erhaltenen Stadtrechnungen berichten für die Jahre 1555 bis 1558 vom Wiederaufbau des Gebäudes. Erwähnt werden darin neben den Baumaßnahmen auch die Ausgaben für die Einrichtung und das Mobiliar, darunter eine Kiste zur Aufbewahrung wichtiger Dokumente sowie ein Uhrwerk für die Rathausuhr.

Im Erdgeschoss befand sich eine zum Marktplatz hin offene Gerichtslaube mit drei Sandsteinbögen über massiven Pfeilern, die von der Innenseite des Gebäudes heute noch sichtbar sind. Hier tagte das Lingener Gericht. Dahinter befand sich eine Wachtstube für die Stadtwache, die auch über eine Arrestzelle verfügte. In der oberen Etage lagen die Schreibstube und der Ratssaal. Der Saal konnte auch für Festlichkeiten genutzt werden und die Kivelinge hielten hier ihre Feste ab. Das Dachgeschoss erhielt einen aufwendigen Dachstuhl. Dieser stabilisierte die Balkendecke über dem Saal und stützte auch das kleine Türmchen auf dem Dach des Gebäudes.

Unter der Herrschaft der Oranier im 17. Jahrhundert wurde das Rathaus zum ersten Mal umgebaut. Damals entstand der steile Treppengiebel in holländischer Bauart. Die Maueranker mit der Jahreszahl 1663 datieren diesen Umbau.

Eine weitere Umgestaltung erfolgte im 18. Jahrhundert. Die offenen Bögen der Gerichtslaube verschwanden 1772 hinter einer barocken Freitreppe. In der Wachtstube entstanden mehrere Diensträume und der Ratssaal erhielt eine neue Ausstattung. Hierzu gehörten auch die drei dort jetzt noch vorhandenen Gemälde mit historischen Ansichten der Stadt Lingen zur Festungszeit.

Seit dem 19. Jahrhundert existieren Fotografien des Rathauses, häufig in Verbindung mit Panoramaansichten des Marktplatzes. Dabei bildet der markante Rathausgiebel zumeist den Fixpunkt der Aufnahmen. Die Vielzahl der Fotos dokumentiert selbst kleinste Veränderungen an dem Gebäude quasi lückenlos.

Der Wirbelsturm 1927 zog mit einer Schneise der Verwüstung über das Stadtzentrum und setzte auch dem Rathaus stark zu. Der gesamte Dachstuhl wurde vom Sog der Windhose ein Stück angehoben und krachte dann auf das Bauwerk nieder. Die Dachziegel wirbelten durch die Luft. Der Ratssaal wurde durch herabfallende Gebäudeteile schwer verwüstet.

Weil damals die Mittel für eine umfassende Sanierung fehlten, wurden die Schäden zunächst nur mehr oder weniger provisorisch beseitigt. Anschließend erhielt das Rathaus die im Wesentlichen bis heute erhaltene Ausstattung mit dunklen Türen und Vertäfelungen. Auch die ersten farbigen Glasscheiben mit Motiven aus der Lingener Geschichte wurden damals eingebaut, namentlich das Oberlicht über der Haustür.

Zum Stadtjubiläum 1975 erfolgte eine weitere Renovierung, bei der die Wachstube im Erdgeschoss in alter Form wiederhergestellt wurde. 2006 war eine umfassende Sanierung des gesamten Gebäudes notwendig, bei der auch die statischen Schäden vom Wirbelsturm 1927 endgültig beseitigt wurden.

Seit langer Zeit bildet das Rathaus die Kulisse für viele politische und gesellschaftliche Ereignisse in der Stadt. Parteiredner und Umweltschützer, Kivelingskönige und Anti-Atom-Aktivisten, Geistliche und Brautpaar, Sportler und Künstler nutzten und nutzen die Rathaustreppe als Bühne für besondere Ereignisse.

