Lingen in den 70er-Jahren
In den 70er-Jahren entwickelte sich die Stadt Lingen zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der Emsregion. Die dominierenden kommunalpolitischen Themen in den 70er-Jahren bildeten die Gemeinde- und die Kreisreform. Für viele kleine Gemeinden und den Landkreis Lingen ging es um das Ganze.
Schon 1969 hatten sich Darme und Laxten der Stadt Lingen angeschlossen, doch andere Gemeinden zögerten noch oder leisteten sogar Widerstand gegen die „Eingemeindung“ nach Lingen. Im Süd der Stadt hatten sich vorsorglich mehrere kleine Ortschaften zur Gemeine Bramsche zusammengeschlossen und im Osten zur Gemeinde Baccum. Im Norden träumten Holthausen-Biene, Brögbern und Clusorth-Bramhar von einer „Nordgemeinde“ mit den sprudelnden Gewerbesteuern der Raffinerie. Doch daraus wurde nichts, denn auf Druck der Landesregierung traten 1974 alle diese Gemeinden der Stadt Lingen bei.
Als nächstes stand die Kreisreform an. Natürlich wollte der Landkreis Lingen selbständig bleiben, ging aber 1977 im Großkreis Emsland auf. Lingen erhielt dabei den Status einer „Großen Selbständigen Stadt“ und rückte damit in den Kreis jener niedersächsischen Städte auf, die bis dahin kreisfrei waren. „Deutschlands kleinste Großstadt“ hieß es damals in einer Zeitungsschlagzeile.
Anfangs wurden die Vertreter aus der emsländischen Provinz dort nur belächelt, aber ein Blick auf den wachsenden Industriepark Süd weckte bald Erstaunen. Das Dralon-Faserwerk des Monsanto-Konzerns, das Chemiewerk Bärlocher aus München und das Stahlwerk Benteler ließen sich dort nieder und es folgten weitere Unternehmen. Die Gewerbesteuer sprudelte.
Symbol der Großen Selbständigen Stadt Lingen war in den 70er-Jahren das neue Rathaus. Zum Kivelingsfest 1972 schenkten die Bürgersöhne ihrer Vaterstadt ein Denkmal des Lingener Stadtgeistes Machurius, das als Zentrum einer großen Brunnenanlage vor dem Neuen Rathaus aufgestellt wurde und viel Zustimmung fand.
Nach dem Bau des „Inneren Rings“ wurde bald auch die äußere Umgehungsstraße in Angriff genommen. In einem weiten Bogen von Schepsdorf bis Holthausen leitete sie drei Bundesstraßen um die Stadt herum und befreite Lingen damit vom Durchgangsverkehr. Nun konnte auch die Stadtsanierung zügig voranschreiten. Die Schlachterstraße, die Baccumer Straße, die Kivelingsstraße und der Universitätsplatz erhielten ein neues Gesicht im historischen Maßstab der Altstadt.
Die meisten Straßen der Innenstadt wurden zu einer Fußgängerzone umgestaltet. Den Beginn machte 1976 die Lookenstraße.
Schon 1977 wurde auf dem Marktplatz das erste Altstadtfest gefeiert. Die Verkehrssituation in der Innenstadt war aber immer noch prekär und so dachte man über große Lösungen nach.
Nach dem Bau der Tiefgarage konnte der Marktplatz endlich wieder als Veranstaltungsfläche genutzt werden.
Jenseits des Dortmund-Ems-Kanals entstanden die Wohnhochhäuser am Herrenkamp und am Langschmidts Weg, östlich der Bahn das Hochhaus am Botterkamp und die Großsiedlung „Neue Heimat“ an der Kardinal-von-Galen-Straße. In Laxten musste der Wohnpark Gauerbach bald schon erweitert werden und auch in allen anderen Ortsteilen entstanden um diese Zeit ausgedehnte Wohngebiete im Bungalow-Stil. Der Traum vom Eigenheim im Grünen wurde für viele Lingener Familien Wirklichkeit.
Die 1000-Jahrfeier 1975 nutzt Lingen als Nabelschau der Stadt und aller Ortsteile, die beim Feiern und bei dem großen Festumzug dabei waren. Der Ministerpräsident und selbst der Bundespräsident ließen sich den Besuch in Lingen nicht nehmen.
Einen kulturellen Meilenstein bildete 1977 die Eröffnung des Theaters an der Wilhelmshöhe. Damit wurde Lingen zur Theaterstadt Nummer eins für die Region. Mit einem großzügigen Foyer, dem geräumigen Zuschauerraum und moderner Bühnentechnik beendete dieser Neubau ein jahrzehntelanges Provisorium im Kulturbetrieb der Stadt.