Auswandererfotos gingen über den „großen Teich“
Etliche tausend Menschen aus dem Emsland wanderten im 19. Jahrhundert nach Nordamerika aus. Die Abreise war oft ein Abschied für immer. So nahmen die Auswanderer gerne Erinnerungsfotos aus der alten Heimat mit und schickten später Fotos aus den USA zu den Verwandten im Emsland. Wir präsentieren eine Auswahl dieser Aufnahmen.
Der wohl bekannteste Auswanderer aus Lingen war Karl Kobert (1844-1935). Sein Elternhaus war die Alte Posthalterei am Markt. Als das Königreich Hannover 1866 von Preußen besetzt und annektiert wurde, drohte ihm die Einberufung in das verhasste preußische Militär. Kurzerhand ging Kobert, wie etliche Wehrpflichtige seines Jahrgangs, in die USA und ließ sich dort in Cincinnati im Bundesstaat Ohio nieder.
Mit zwei Geschäftspartnern gründete er später in Lebanon in Kentucky die Whisky-Destilliry „Mueller, Wathen, Kobert“ und kaufte sich dort ein stattliches Anwesen im „Colonial Style“.
Als wohlhabender Geschäftsmann besuchte Kobert mehrfach seine alte Heimat und unterstützte viele kulturelle Projekte in Lingen.
Zahlreiche Nachkommen von Bauern und Heuerleuten, die im Emsland keine Zukunft sahen, zogen seit etwa 1850 in den Süden von Illinois, um dort eine eigene Farm zu gründen. Hierzu gehörten die Familien Kues und Pölker aus Holthausen sowie Rakers aus Brockhausen und Richter aus Brümsel.
Sie trafen in den Dörfern Germantown und Aviston auf zahlreiche weitere deutsche Auswanderer. Dort entstand eine regelrechte deutsche Siedlungsinsel, in der bis weit in das 20. Jahrhundert die deutsche Sprache, und zwar vorwiegend Plattdeutsch, gesprochen wurde.
Die meisten Emsländer zog es nach ihrer Ankunft in den USA zunächst in die Großstadt Cincinnati in Ohio. Hier gab es eine große emsländische Gemeinschaft mit eigenen deutschsprachigen Vereinen und Verbänden. Die Neuankömmlinge konnten hier erst einmal Geld verdienen und die englische Sprache erlernen, um dann ihre weitere Zukunft zu planen. Erste Anlaufpunkt waren für viele das Kolpinghaus und die deutschsprachigen Kirchengemeinden der Stadt.
Ein anderes Ziel emsländische Einwanderer war die Stadt Quincy am Mississippi. Deutsche Einwanderer gründeten dort im 19. Jahrhundert mehrere Brauereien, die den mittleren Westen mit deutschem Bier versorgten. Hierzu gehörten die Brauerei Hutmacher und Gebrüder Dick.
Die emsländische Einwandererfamilie Stroot gründete in Quincy ein großes Eisenwarengeschäft, dessen stattliches Geschäftshaus heute unter Denkmalschutz steht.
Ein großes Ereignis war es stets, wenn Ausgewanderte aus Amerika zu einem Besuch in der alten Heimat eintrafen. Oft hatten die Familien sich jahrzehntelang nicht mehr gesehen und nur Briefe gewechselt. Nun gab es Gelegenheit, die alten Freunde und Verwandten wiederzutreffen und die junge Generation im Elternhaus einmal kennenzulernen.
Dabei wurden gerne auch Erinnerungsfotos geschossen, auf denen die Gäste aus Amerika von einer großen Menschenschar umringt werden. Diese Fotos nahm man mit nach Amerika, um auch die dortigen Verwandten an dem großen Ereignis teilhaben zu lassen.
Fotos von der Familie Poelker aus St. Louis für die Großmutter in Holthausen
Viele Auswanderer konnten sich den Wunsch, die alte Heimat noch einmal wiederzusehen, leider nicht erfüllen. Manchen fehlten die Mittel für die Überfahrt, andere waren aufgrund von Alter und Krankheit nicht mehr dazu in der Lage, die Strapazen der mehrwöchigen Reise auf sich zu nehmen. Sie schickten stattdessen Fotos zu den Verwandten in der alten Heimat, die dort sorgsam aufbewahrt wurden.
Schapener Einwanderer in Buffalo (um 1930)
Im 20. Jahrhundert wanderten noch einmal eine ganze Reihe junger Leute aus Schapen in die USA aus und zwar in die Großstadt Buffalo im Staat New York. Auch dort waren die deutschen Einwanderer gut organisiert und feierten noch in den 50er-Jahren eigene Schützenfest und Oktoberfeste.