Serie: 75 Jahre Grundgesetz (Teil 1)
Am 23. Mai 1949 wurde in Bonn das Grundgesetz für Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Nur wenige Monate zuvor hatte die Währungsreform die Grundlage für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg der drei westlichen Besatzungszonen gelegt, aber auch die Teilung Deutschlands in Ost und West gefestigt.
Die positiven Folgen der Währungsreform waren auch in Lingen bald zu spüren, denn die Stadt mauserte sich mit der Ansiedlung der Deutschen Schachtbau an der Waldstraße und dem Aufbau der Erdölraffinerie in Holthausen zur neuen Erdölmetropole der Bundesrepublik.
Durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten und den Aufbau der Ölindustrie war die Einwohnerzahl Lingens von knapp 13.000 im Jahr 1938 auf über 18.5000 im Jahr 1949 gestiegen. Diese kurbelte nicht zuletzt die Bauwirtschaft an, denn Wohnungen waren Mangelware.
Nach Jahren der Zwangsbewirtschaftung wurde der Viehmarkt für den freien Verkauf von Zucht-und Schlachtvieh wieder freigegeben und 1949 stellten die Stadtwerke die Rationierung der Gasmengen für Privathaushalte und Gewerbebetriebe ein.
Zur Jahresmitte 1949 war der erste Bauabschnitt beim Wiederaufbau des kriegszerstörten Textilhauses Löning zwischen Markt und Burgstraße vollendet. Am ersten Verkaufstag kamen rund 10.000 DM in die Kasse, am zweiten Tag rund 6000 und am dritten Tag rund 4000 DM. Die Zeit des Wirtschaftswunders hatte begonnen.
Auf der Wilhelmshöhe fand eine große Landwirtschaftsschau statt, bei die Hersteller von Landmaschinen und Zubehör ihre neuen Produkte präsentierten. Die Bekleidungsproduktion in den „Lingener Textilwerken“ der Unternehmer Merswolke und Veer nahm Fahrt auf und beschäftigte hunderte von Frauen.
Im Februar 1949 formierte sich der TTC (Turniers-Tanz-Club) „Casino Lingen-Ems“ neu und veranstaltete erstmals nach dem Krieg wieder ein „Kappenfest“ im Saal der Wilhelmshöhe.
Das herausragende Turniertanzpaar des Clubs, trainiert von Tanzlehrer Hans-Günther Schrock-Opitz, waren Hans Geber und Ilse Beinkämpen aus Lingen.
Mit der Spielzeit 1949/1950 begann der Kulturring der Stadt wieder mit der Aufführung von Schauspielen, Opern und Operetten im Saal der Wilhelmshöhe. Damit trat auch im kulturellen Leben wieder eine Normalisierung ein. Zu den zahlreichen Vereinen, die sich 1949 neu gründeten, gehörte der auch Heimat- und Verkehrsverein Lingen.
1949 erhielt nach langem Zögern der britischen Militärverwaltung der Verlag van Acken endlich die Genehmigung, den „Lingener Volksboten“ wieder aufzulegen. Das traditionsreiche Blatt der katholischen Bevölkerungsgruppe, das sich politisch an der damaligen katholischen Zentrumspartei orientierte, stand nun aber in Konkurrenz mit mehreren anderen regionalen Tageszeitungen.
Am 14. August 1949 fanden die ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag statt. Im Wahlkreis Lingen lag die CDU mit über 33.000 Stimmen an erster Stelle.
Ihr folgte die katholische Zentrumspartei, die ihre fast 20.000 Stimmen vorwiegend in den kleinen Landgemeinden holte.
Die SPD und alle anderen Parteien waren weit abgeschlagen und als Direktkandidat zog Dr. Heinrich Eckstein von der CDU in den Bundestag ein. Er war Verwalter auf den Gut Holsterfeld bei Salzbergen. Wenige Monate später, am 5. Mai 1950, stellte Eckstein den Antrag auf den „Emslandplan“, mit dem für das Emsland eine neue Ära begann.