Weihnachten in der Kaserne

17. Dezember 2020

Weihnachten in der Kaserne in Osnabrück 1898 (Emslandmuseum Lingen, Ansichtskartensammlung)

Seit dem 19. Jahrhundert herrschte in allen deutschen Staaten die allgemeine Wehrpflicht, in Preußen wie im Königreich Hannover und

Der „Jäger Düring“ stammte aus der Bauernfamilie Düring in Schapen und diente von 1897 bis 1899 in einer Kaserne in Marburg (Emslandmuseum Lingen)

im Großherzogtum Oldenburg ebenso. Die höheren Stände verstanden es, ihre Söhne dem Wehrdienst auf vielerlei Weise vom Wehrdienst freistellen zu lassen. Oder sie wählten gleich die Offizierslaufbahn und bekamen vom Leben der einfachen Soldaten in den Kasernen nur wenig mit. Die Hauptlast trugen die jungen Männer vom Lande und das den städtischen Unterschichten.

Erinnerungskarte an die Musterung, um 1900 (Emslandmuseum Lingen, Ansichtskartensammlung)

In Preußen, dazu gehörte Lingen seit 1866, dauerte der aktive Wehrdienste drei Jahre, an die sich noch mehrere Jahre Reserve anschlossen. Während des ersten Jahres gab es keinen Heimaturlaub. Auch das Weihnachtsfest mussten die Rekruten in der Kaserne verbringen. Bei den dortigen Weihnachtsfeiern lernten viele Wehrpflichtige aus dem Emsland zum ersten Mal einen Brauch kennen, den sie aus ihrer Heimat gar nicht kannten: den Weihnachtsbaum mit den strahlenden Kerzen. Sie berichteten davon begeistert in ihren Briefen und nicht zuletzt die Reservisten waren es, die nach ihrer Rückkehr vom Wehrdienst in Gaststätten und Vereinsheimen schon vor dem Ersten Weltkrieg die ersten Weihnachtsbäume im Emsland entzündeten.

Das Militär hatte im früheren Deutschen Reich einen hohen Stellenwert. Es galt als „Schule der Nation“. Wehrdienstverweigerung war nicht vorgesehen und „Fahnenflucht“ kam selten vor. Dass alle jungen Menge gerne drei Jahre zum Militär gingen, darf bezweifelt werden. Viele waren jedenfalls stolz auf ihre Uniform und sahen den Wehrdienst als willkommene Gelegenheit, dem eintönigen Alltag auf dem Lande zu entfliehen und einmal im Leben die große weite Welt zu sehen, sei es in einer Kaserne in Osnabrück, Minden oder gar Berlin, oder sogar auf einem Schiff der Kriegsmarine. Wer mit der Härte der Ausbildung nicht zurechtkam, galt als „Weichei“ und wer gar Heimwehr zeigt als „Muttersöhnchen“.

Wenn die Rekruten aus dem aktiven Wehrdienst zur Reserve entlassen wurden und in die Heimat zurückkehrten, brachten sie für sich und ihre Verwandten Andenken an die Militärzeit mit. Beliebt waren Bierkrüge („Reservistenkrüge“) Tabakpfeifen („Reservistenpfeifen“) mit entsprechend aufgemalten Motiven und Schriftzügen. Für Mütter, Schwestern und enge Bekannte brachte man bemalte Kaffeetassen („Reservistentassen“) mit, die ebenfalls mit Szenen und Motiven aus dem Soldatenleben bemalt waren. Hinzu kamen die beliebten „Reservistenfotos“ mit Porträt- und Gruppenaufnahmen, häufig eingeklebt oder einmontiert in prachtvolle Dekorationen mit militärischen und vaterländischen Motiven.

Reservistenbild des „Kanoniers Heinrich Wessling“ aus Lingen-Darme (Emslandmuseum Lingen)

In vielen Haushalten wurden diese Andenken gut sichtbar aufgestellt. Sie vermittelten militärisches Ansehen und eine gewisse Weltläufigkeit, bestimmt lieferten sie aber auch Gesprächsstoff für viele Berichte über wahre oder ausgeschmückte Erinnerungen an die Erlebnisse in der Kaserne, beim Ausgang oder im Manöver. Heute sind sie zeitgeschichtlich interessante Ausstellungsstücke in vielen Museen und Sammlungen und erinnern an eine Zeit, in der Militarismus, Gehorsam und Vaterlandsliebe noch als Tugenden galten. Die Folgen sind bekannt.