Aus dem Hofarchiv Schulte van Werde in Listrup

890 erstmals erwähnt

Gerd Schulte van Werde (auf dem Hof Schulte Südhoff in Engden)

Die Geschichte dieses emsländischen Bauernhofes haut selbst den gestandenen Museumsleiter fast aus den Socken. Denn der Hof Schulte van Werde in Listrup

Der Hof Schulte van Werde in Listrup

wird sage und schreibe im Jahr 890 in den ältesten Einkünftelisten des Klosters Werden an der Ruhr erstmals erwähnt. Seine Geschichte spiegelt sich in über hundert Akten und Dokumenten vom 15. bis 20. Jahrhundert, die derzeit im Emslandmuseum in Lingen neu registriert werden.

Es ist sicherlich eines der bedeutendsten Hofarchive im Emsland, nicht nur vom Umfang her. Denn der Schultentitel bedeutete im Mittelalter, dass dort die Abgaben des Klosters gesammelt wurden, Recht gesprochen und hoheitliche Funktionen über die Hörigen des Klosters ausgeübt wurden.

Auf unbekannten Wegen kam der Hof zunächst in den Besitz des Bischofs von Münster und dann an das Stift Überwasser, ein Frauenkloster im Stadtzentrum von Münster, dessen gotische Hallenkirche dort bis heute erhalten ist. Die Äbtissin von Überwasser – der Name rührt daher, dass das Kloster vom Dom aus gesehen jenseits der Aa lag – überwachte fortan die Geschichte des Schultenhofes in Listrup.

Alte Dokumente aus dem Hofarchiv Schulte van Werde in Listrup

Von den früheren Rechten und Aufgaben des Hofes van Werde blieb in nachmittelalterlicher Zeit vor allem die Aufsicht über die Listrup-Bextener Mark, in der die Äbtissin von Überwasser die Funktion des obersten Markenrichters wahrnahm. Das entsprechende Holzgericht, niederdeutsch „Hölting“, tagte auf dem Hof Schulte van Werde. Das früheste Dokument im Hofarchiv datiert in das Jahr 1403 und beschreibt die Grenze zwischen der Plantlünner und der Listruper Markengemeinde. Dabei handelt es sich jedoch um eine Abschrift aus jüngerer Zeit. Die dort genannten Grenzpunkt waren noch im 19. Jahrhundert gültig und bildeten die Grundlage für die heutigen Gemeindegrenzen.

Dokument von 1480 mit Aufzeichnungen von einem Holzgericht auf dem Hof Schulte van Werde

Das älteste Originalschriftstück im Bestand Schulte van Werde stammt aus dem Jahr 1480. Es handelt sich um eine Liste der Listruper Höfe, die auf Markenland gesiedelt hatten und dafür eine jährliche Zahlung an die Markengemeinde leisten mussten. Aufgrund dieses Dokumentes kann man einige Listruper Höfe bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Auf der Rückseite -Ordnung muss sein – befindet sich ein Auszug aus der Listruper Markenordnung, auf der die entsprechenden Zahlungen beruhten.

Überhaupt befinden sich in dem Hofarchiv überwiegend Markensachen. Denn die gemeinsam verwalteten Markengrundstücke und ihre Nutzung gaben Anlass zu vielerlei Streit, waren sie doch die Rohstoffreserve für die traditionelle Landwirtschaft. So boten Weideland, lieferten Bau-, Nutz- und Brennholz, Torf und vor allem Dünger.

In Not- und Kriegszeiten verkauften die Gemeinde gerne Markenland, um mit dem Geld die Gemeindeschulden zu begleichen. So hatten alteingesessene Höfe die Möglichkeit, ihre Betriebsflächen zu erweitern und Neusiedler ergriffen die Chance, eine eigene Hofstelle auf Markenland zu gründen.

Prozessakte aus der Zeit um 1800 mit 780 handgeschriebenen Seiten

Die Listruper Bauern stritten nicht nur untereinander um die Nutzung von Wald und Weidegründen, sondern häufig gab es auch Streit mit den benachbarten Marken um die Überschreitung der Markengrenzen beim Viehhüten, um Torfabbau auf Nachbars Grund und das unberechtigte Fällen von Bäumen. Allein ein Rechtsstreit aus dem 18. Jahrhundert umfasst 780 Seiten – handschriftlich wohlbemerkt. Denn die Advokaten und Schreiber wollten ja an den Markenstreitigkeiten ordentlich verdienen. Und das ging am besten, wenn sich der Prozess in die Länge zog und viele Schriftstücke hin und her wechselten.

Fotosammlung und Fotoalben der Familie Schulte van Werde

Doch auch viele andere Dinge haben im Laufe der Jahrhunderte ihre Spuren im Hofarchiv Schulte van Werde hinterlassen. Testamente und Eheverträge der Schultenfamilie, Briefe und persönliche Dokumente der Hofinhaber, Kaufverträge und Grundstückssachen.

Im 19. Jahrhundert betrieb Schulte van Werde Rieselwiesen an der Ems, für die genaue Karten und Höhenpläne notwendig waren. Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg gab es in Listrup Kriegsgefangenenlager, die vom Schulten van Werde verwaltet wurden. Fotoalben mit Familienfotos und zeitgeschichtlichen Motiven illustrieren die Orts-, Hof- und Familiengeschichte seit dem 19. Jahrhundert. Hinzu kommen Tage- und Anschreibebücher, Gebet- und Gesangbücher – kurzum: emsländische Geschichte pur!

Die Dokumente, die teilweise bereits vor Jahrzehnten vom damaligen Museumsleiter Walter Tenfelde und später teilweise auch von Peter Tewes aus Listrup verzeichnet wurden, werden im Emslandmuseum neu registriert und überprüft. Über die Ergebnisse wird an dieser Stelle zukünftig berichtet.