mehr als 60 Sekunden Motorradkurven
Die Durchfahrt mit den langgezogenen Kurven und den Hügeln kennt wohl jeder – aber wer ahnt schon, dass man sich hier auf einem uralten Verkehrsweg befindet und
dass die Bauerschaft Ahlde schon eine ewig lange Geschichte hat? – Einen kleinen Einblick geben wir heute auf unserem Blog.
Schon in der Jungsteinzeit entdeckten die frühen Ackerbauern das Hügellang am linken Ufer der Ems als idealen Siedlungsraum. Seitdem war der Raum Ahlde von Bauern besiedelt und beim Bau der Autobahn A 30 wurde im südlichen Teil von Ahlde eine germanische Siedlung entdeckt.
Die Ahlder müssen es wohl geahnt haben, denn schon 1925 wurden hier von einer Theatergruppe auf einer provisorischen Freilichtbühne die „Hermannschlacht“ nach einer Vorlage von Heinrich von Kleist aufgeführt. Das Ereignis zog tausende von Besuchern an und ging als „Ahlder Hermannschlacht“ in die Annalen ein. Im Jahr darauf folgte das Stück „Wittekind“. Von den damals 480 Einwohnern der Gemeinde waren 200 aktiv an dem Theaterstück beteiligt. Nach 20 Aufführungen blieb ein Reingewinn von 8000 Reichsmark, der für den Anschluss der Gemeinde an das Elekrizitätswerk verwendet wurde.
Im frühen Mittelalter entstand auf einem günstigen Gelände, einem flachen Höhenrücken, als zusammenhängende Ackerfläche der große Ahlder Esch. Hier wurde durchgängig intensiver Ackerbau betrieben. Die Höfe siedelten sich wie Perlen auf einer Kette rings um den Esch an. Sie lagen also „unter dem Esch“ und dieses Siedlungsbild kann man in Ahlde heute noch erkennen.
Mitten über den Esch führte die alte „Friesische Straße“ von Münster über Rheine und Emsbüren nach Norden. Sie wurde schon vom Heiligen Ludgerus auf seinen Missionsreisen nach Friesland genutzt, der auf seinem Haupthof in Emsbüren die erste Kirche weit und breit gründete. Seit dieser Zeit gehörte das Kirchspiel Emsbüren bis 1803 zum Münsterland. Erst später zählte man es zum heutigen Emsland.
In den nassen Wintermonaten wählten die Reisenden auf der Friesischen Straße am liebsten die trockene, aber etwas hügelige Strecke über Ahlde, während in den Sommermonaten eine Route dichter entlang der Ems bevorzugt wurde. Die Friesische Straße war der mittelalterliche Vorläufer der Eisenbahnlinie Münster-Emden, der B 70 und der Emslandautobahn A 31.
Schon um das Jahr 890 wird der Ortsname Ahlde, damals geschrieben Aludwide, in einem Einnahmeverzeichnis des Kloster Werden an der Ruhr erwähnt. Gründer dieses Klosters war der Heilige Ludgerus, der mit Emsbüren in enger Verbindung stand.
Das Kloster Werden besaß in Ahlde zwei Höfe, deren Inhaber mit Vornamen Waddic und Hrodleb hießen. Weil es damals noch keine Hausnamen gab und weil das Kloster beide Höfe schon bald wieder verkauft ist unklar, wo in Ahlde diese Höfe lagen und mit welchen späteren oder heutigen Hofstellen sie identisch sind.
Im Mittelalter gab es in Ahlde offenbar eine Art Gutshof, das „Haus Alwede“. 1256 war es ein Burgmannslehen des Bischofs von Münster, später aber im Besitz der Grafen von Tecklenburg. Wo aber lag dieser Hof? Eine besondere Stellung hatten in Ahlde in früheren Zeiten offenbar zwei Höfe, die sich durch ihre Namen und ihre besondere Lage auszeichnen: Farwick und Homeyer. Der Name Farwick geht vermutlich auf ein Vorwerk zurück, einen Hof mit einem besonderen Besitzrecht, das einem Pachtverhältnis nahekam. 1290 wird dieser Hof als „Dalhof gehen Vorwarken to Aelden“ bezeichnet, 1498 heißt der Inhaber Themmen thon Varwerk. Der Hofname Homeyer deutet ebenfalls auf eine besondere Rechtsstellung im Mittelalter hin. Vielleicht sind die beiden eng benachbarten Höfe ja aus dem älteren Gutshof hervorgegangen. Dies heißt aber keineswegs, dass sie mit den beiden Höfen des Klosters Werden von 890 identisch sind, denn dabei handelte es sich offenbar um zwei ganz normale Bauernhöfe.
Die alten Bauernhöfe in Ahlde lagen alle rings um den großen Ahlder Esch. Die ältesten Höfe waren Vollerbenhöfe und ein paar Halberbenhöfe, die schon im Mittelalter belegt sind:
Rode (heute Rohmann) Amelinckinck (später Ameling, später Ottingh, heute Otten) Helminck (heute Helming) Stillinck (heute Stillinck) Everdinck (heute Evering) Schulte (heute Schulte-Seybering) Lemige oder Lemege (später Lemming, 1826 zerstückelt) Geisinck (heute Geising) Wintel (heute Wintels) Grote Barckel (später Barkelmann, Bartling, 1890 zerstückelt) Gerdinck (heute Gerding) Theisinck (1364: Mathyzingh; heute Theissing) De Homeyer (heute Homeyer) Vorwick (1290: Dalhof geheten Vorwerken to Aelden, heute Farwick) Oelbert (1478: Alberdingh, heute Albers) Stareberg (heute Staelberg) Hoppemann (1560: „ein vormals fry erve“, heute Hopmann) Hinzu kamen in alter Zeit noch mehrere Halberben: Twentermann (1498: Twentinck, heute Twenning) De Klumper (heute Klümper) Dat Lutke Barckel (1560: „ein Kotte“, heute Barkeling)
Die Bauern in Ahlde hatten verschiedene Grundherren, denen sie unterworfen waren und denen sie Abgaben leisten mussten. Dazu gehörten der Bischof von Münster, der Graf von Bentheim, das Kloster Wietmarschen, Bürger der Städte Rheine und Lingen sowie weitere Adelige. In den entsprechenden Archiven findet man viele Urkunden und Hinweise zur Geschichte von Ahlde.
Der Ackerbau wurde über viele Jahrhunderte als „ewiger Roggenbau“ auf dem großen Esch betrieben. Alle anderen Bereich dienten lediglich als Viehweiden und als Heide. Viele Flächen im westlichen Teil von Ahlde bestanden bis in das 20. Jahrhundert aus Ödland.
Schon früh hatte die Gemeinde Ahlde eine eigene Schule, damit den Kindern der weite Fußweg zur Schule in Emsbüren erspart blieb. Sie war ein wichtiges Stück eigener Identität für die Kinder aus Ahlde, die hier die Schulzeit gemeinsam verbrachten.
1858 gründete der Bauer Bernhard Gerhard Staelberg in Ahlde eine Ziegelei, in der zunächst im sogenannte „Feldbrand“ aus örtlichen Lehmvorkommen Backsteine hergestellt wurden. 1884 errichtete Staelberg in einem Tal unterhalb des Sunderhügels eine Ziegelei mit einem Ringofen. Daraus entwickelte sich ein großer Ziegeleibetrieb, der bis in die Nachkriegszeit Ziegelsteine und Dachziegel produzierte.
Die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts gingen an der kleinen Gemeinde nicht spurlos vorrüber. Viele Männer aus Ahlde starben als Soldaten im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Daran erinnert ein Kriegerehrenmal an der Hauptstraße. Im Zweiten Weltkrieg waren auch auf den Bauernhöfen in Ahlde viele Kriegsgefangene eingesetzt.
Viele Wegekreuze, Marienbild und Kapellen in Ahlde geben Zeugnis vom christlichen Glauben der Bewohner. Sehr eindrucksvoll ist das sogenannte Borkenkreuz, ein Feldkreuz unter ein paar hohen Bäumen mitten auf dem Ahlder Esch.
Bekannt sind auch die drei Steinkreuze auf dem Sunderhügel, um die sich eine uralte Sage rankt. Doch die erzählen wir hier ein andermal.