175 Jahre Gastronomie in Lingen
Ein Inbegriff für Freizeit, Fröhlichkeit und Festkultur in Lingen ist seit über 175 Jahren die Wilhelmshöhe. Aus einer Kaffeewirtschaft vor den Toren der Stadt
entwickelte sich ein überregional bekannter Saalbetrieb mit eigenem Hofbräuhaus. Diese Erfolgsgeschichte wird hier einmal in den wesentlichn Zügen nachgezeichnet.
Namengeber des Lokals war der Lingener Kaufmann Wilhelm Hungelmann, der 1845 in einem Dünengelände am Mühlenbach eine Ausflugsgaststätte mit einem kleinen Park eröffnete. Eine Kaffeeterrasse und eine Kegelbahn zogen viele Besucher an, im Saal fanden ganzjährig Fest und Veranstaltungen statt.
Nach verschiedenen Eigentümer- und Besitzerwechseln übernahm 1913 die Familie Lobenberg die Wilhelmshöhe. Heinrich Lobenberg stammte aus Münster und war von Beruf Bildhauer.
In einem Schuppen hinter dem Saalbau richtete ein Atelier ein und schuf neben Plastiken auch aufwendige Dekorationen für Vereine und Veranstaltungen, unter anderem zum Stadtjubiläum 1928.
Die Zeiten waren damals schwierig. Der Erste Weltkrieg verhinderte jegliche Festlichkeiten und auf der Wilhelmshöhe wurde ein Lazarett eingerichtet. Auch nach Kriegsende war angesichts von Wirtschaftskrise und Inflation an fröhliche Feste zunächst nicht zu denken. 1925 gaben Lobenberg die Wilhelmshöhe auf. Neuer Pächter wurde Heinrich Essmann. 1926 erwarb dann die Stadt Lingen das Anwesen mit den umliegenden Parkanlagen.
Fünfzig Jahre dauerte die Ära Essmann auf der Wilhelmshöhe, deren Aufstieg untrennbar mit dieser Pächterfamilie verbunden ist: 45 Jahre mit dem Senior Heinrich Essmann und 5 Jahre mit seinem Sohn Henning Essmann.
Durch eine von Heinrich Essmann initiierte große Gastronomieausstellung 1930 wurde der Saalbetrieb auch überregional bekannt. Die Abkürzung Megafa stand übrigens für das Wortungetüm: Münsterländisch-Emslandische Gastronomie Fachausstellung.
Festbälle und Tanzkurse, Theatervorstellungen und sogar Sportveranstaltungen sorgten für eine hohe Besucherfrequenz. Vereine, Verbände und Parteien nutzen um diese Zeit die Versammlungsräume für das rege kulturelle und gesellschaftliche Leben.
Ab 1933 folgten die Aufzüge und Kundgebungen der Nationalsozialisten und die Bälle der Wehrmacht, die in den neuen Lingener Kasernen Einzug hielt. Nach Kriegsende diente das unzerstörte Lokal als Treffpunkt der englischen Besatzungstruppen.
Ende der 40er-Jahre kam das gesellschaftliche Leben auf der Wilhelmshöhe wieder in Gang. Der benachbarte Sportplatz, Tennisplätze, eine Schießsportanlage und die Kegelbahn brachten viele Besucher und an den Sonntagvormittagen standen die Gäste an der langen Theke Mann an Mann.
Doch durch den Umzug der Sportanlagen nach Reuschberge und den Bau des Hallenbades, später auch des Theaters, änderte sich das Umfeld der Gastronomie im Laufe der Jahre.
1975 zog die langjährige Pächterfamilie Essmann sich von der Wilhelmshöhe zurück. Die Familie Seiffert übernahm den Gestronomiebetrieb und bewährte sich schon bald bei den zahlreichen Veranstaltungen zur 1000-Jahrfeier der Stadt Lingen, bei denen unter anderem der damalige Bundespräsident Walter Scheel die Wilhelmshöhe besuchte.
Als die Familie Seiffert Anfang der 90er-Jahre ein Speiselokal in der Innenstadt übernahm, begann auf der Wilhelmshöhe eine Phase rasch wechselnder Pächter. Auch ein aufwendiger Umbau 1999 konnte den Niedergang des traditionsreichen Betriebes letztlich nicht aufhalten.
Erst mit der Übertragung an einen Betreiberverein kehrte die Wilhelmshöhe durch bürgerschaftliches Engagement allmählich zu altem Glanz zurück. Immer mehr Veranstaltungen fanden wieder in dem traditionsreichen Saalbetrieb statt.
Dank des Einsatzes des Vereins und einer Großspende von Eva Essmann konnte das Gebäude 2019 pünktlich zum 175jährigen Bestehen umfassend renoviert und erweitert werden.
Neben dem Saalbetrieb befindet sich dort eine Niederlassung des berühmten Hofbräuhauses in München mit Außenterrasse und Biergarten. Das Umfeld der Gastronomie mit dem Theater und dem Cinemax wird derzeit schrittweise zum Kulturpark Wilhelmshöhe ausgebaut.