Lingen Helau, Emsbüren Helau, Bawinkel Helau!

Aus den Karnevalshochburgen im Emsland

Kolping-Karneval in Lingen, um 1930

Lingen und das Emsland sind bekanntlich keine traditionellen Hochburgen des Rheinischen Karnaval mit Prunksitzungen, Büttenreden und Rosenmontagsumzügen. Erst in der Nachkriegszeit entwickelte sich in Lingen, Emsbüren und Bawinkel ein vereinsmäßig organisiertes närrisches Treiben, das zu den Umzügen tausende Besucher auf die Straßen zieht.

Saalfeier der Karnevalsgesellschaft im Vereinigten Schützenbund auf der Wilhelmshöhe, um 1965

Ein traditioneller Fastnachtsbrauch in den Dörfern und Bauerschaften im Emsland war das „Eier- und Wurstaufholen“ an den Tagen vor Aschermittwoch. Die mit bunten Tüchern, Schlafanzügen und Masken verkleideten Gecken zogen von Haus zu Haus und forderten Eier und Mettwürste, die dann am Abend bei einer Feier gemeinsam verspeist wurden. Auch ein Trinkgeld oder blanker Alkohol wurden von den Narren dankend entgegengenommen, denn an diesen Tagen wollte keiner nüchtern bleiben.

In der Schapener Bauerschaft Bramhof ist dieses Fastnachtstreiben bis heute lebendig. Eierwief (Frau mit Eierkorb), Herr (Mann mit Zylinder) und Düwel (Teufels) sind dort die typischen Gestalten der Kostümierung. Zum Tanz vor den Haustüren spielen Akkordeon und Teufelsgeige, ein altes Instrument aus der Volksmusik. Gekrönt wird der anstrengende Tag durch das abendliche „Kattenknüppeln“. Bei diesem uralten Brauch wird durch gezielte Würfe auf eine Holzkiste der Sieger des Abends ermittelt. Wer mit seinem Wurf die Kiste zertrümmert, ist Kattenknüppelkönig. Früher saß in der Kiste eine lebende Katze, deren Sprung aus der demolierten Kiste den Königswurf markierte. Heute begnügt man sich mit einem Stofftier, was der guten Stimmung aber keinen Abbruch tut.

Auch die sogenannten Fastabende, die Nachbarschaften in den Landgemeinden, hielten an den Abenden vor Aschermittwoch ihre Jahresversammlung ab. Strafgelder für Vergehen gegen die Regeln der guten Nachbarschaft wurden dabei vereinnahmt und gleich an Ort und Stelle in Flüssiges umgesetzt.

Die ersten Kontakte zum Rheinischen Karneval entstanden vermutlich über die Kolpingvereine, deren Zentrale sich bekanntlich in der Karnevalshochburg Köln am Rhein befindet. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts war der „Kolping-Karneval“ mit Kostümierung und Büttenreden, Schunkeln, Musik und Tanz auch im Emsland ein fester Begriff.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verhalfen zugezogene Rheinländer und fastnachtsbegeisterte Einheimische dem Karneval in Lingen und Emsbüren zum Durchbruch. Der Vereinigte Schützenbund bildete eine eigene Karnevalsabteilung, aus der 1977 die KVL, die Karnevalsvereinigung Lingen, hervorging. 1980 fand der erste Rosenmontagsumzug in Lingen statt. Neben den großen Mottowagen nahmen alljährlich viele Fußgruppen von Vereinen und Cliquen daran teil und gaben dem Umzug damit eine besondere Note. Die Karnevalsfeiern im Lingener Rathaus im Anschluss an den Rosenmontagsumzug waren legendär.

Rasch lernten Stadt- und Gemeinderäte, was ein Sturm der Narren auf das Rathaus bedeutet und dass an diesen Tagen die Arbeit besser ruht. Schlipse und Schnürsenkel bringt Mann mittlerweile auch im Emsland an Weiberfastnacht besser in Sicherheit.

Als Karnevalshochburg erwies sich bald auch das Kirchspiel Emsbüren mit dem großen Rosenmontagszug. Dem Kölner Dreigestirn mit Prinz, Bauer und Jungfrau entsprechen hier der Herzog und sein Kumpan. Selbst Bawinkel entwickelte in den letzten Jahrzehnten ein intensives närrisches Treiben rund um den großen Karnevalsumzug.

Derzeit hoffen alle Narren, Närrinnen und Narrenalesen auf eine rauschende Karnevalssaison 2022/23. Und diese fünfte Jahreszeit beginnt bekanntlich am 11.11. ’22.

Lingen Helau! Emsbüren Helau! Bawinkel Helau! Kattenknüppeln Helau!