Von Schafherden und Schäfer

Schafzucht war im Emsland einst weit verbreitet

Schulklasse zu Besuch beim Schäfer im Moor

In diesen Tagen sieht man draußen auf den Weiden die ersten Lämmer springen. Ein guter Anlass, in dieser Jahres einmal auf die traditionsreiche Schafhaltung im Emsland zurückzublicken.

Schafe mit ihren Lämmern im Frühjahr

Vor 150 Jahren hielten die Bauern im Altkreis Lingen noch über 10.000 Schafe. Die Tiere beweideten in großen Schafherden die damals noch riesigen Heideflächen. Die typische Schafrasse im Raum Lingen war das „Bentheimer Landschaf“, das von einzelnen Züchtern in der Region bis heute bevorzugt wird. Es liefert zwar keine gute Wolle, aber bekanntlich besseres Fleisch als Heidschnucken oder Texelschafe.

Lange Zeit wurden die Schafe hauptsächlich wegen des Schafsdungs gehalten, der vor der Erfindung des Kunstdüngers den besten natürlichen Düngestoff bildete. Wolle und Felle verkauften die Schafhalter an Händler in Lingen, erzielten dabei aber nur geringe Preise. Ein beliebtes und preiswertes Gericht für die ärmeren Bevölkerungsschichten war damals Bohneneintopf mit einer Einlage aus Schafsfleisch. In Buttermilch eingelegte Schafskeule galt als Ersatz für Rinder- und Schweinebraten. Zur Herstellung von Wurst war das Schafsfleisch allerdings ungeeignet.

Die Größe der Schafherden lag zwischen gut 150 und 350 Schafen. Für kleinere Herden lohnte es nicht, einen Schäfer anzustellen. Die Herden bestanden aus Muttertieren mit ihren Lämmern, Jungschafen und wenigen Böcken. Da viele Schafe zum Winter hin geschlachtet wurden, war die Herde in der futterarmen Zeit entsprechend kleiner. Durch die jungen Lämmer wurde der Bestand dann im Frühjahr rasch wieder aufgebaut.

Jede Herde brauchte einen Schäfer. Bauern mit wenigen Schafen beschäftigen gemeinsam einen Schäfer und nahmen auch Schafe von Nachbarn und Heuerleuten in die Herde auf. Dem Schäfer stand eine gewisse Anzahl von Tieren zu, die er kostenlos mit auf die Weide treiben durfte. Das war ein wichtiger Bestandteil seines Einkommens.

Wie die anderen Knechte musste auch der Schäfer früh morgens erst bei der Arbeit auf dem Hof helfen, etwa beim Dreschen. Gegen acht Uhr zog er mit der Herde aus und kehrte erst am Abend wieder zurück. Den ganzen Tag war er mit seiner Schafherde allein in der freien Natur. Nur bei extrem schlechtem Wetter blieben die Tiere tagsüber im Stall. Neben der Beaufsichtigung der Schafe, dem Füttern und Tränken der Tiere, der Nachzucht der Herde und dem Scheren der Wolle waren die Schäfer auch für die Versorgung kranker Tiere zuständig.

Die Schäfer galten im allgemeinen als Sonderlinge. Manchen wurden besondere Fähigkeiten nachgesagt, zum Beispiel das „Zweite Gesicht“, also die Gabe zum Voraussehen von Ereignissen in der Zukunft. Brände, Unglücks- und Todesfälle wurden auf diese Weise vorhergesagt.

Mitte Juli war es an der Zeit, den Schafen die Wolle zu scheren. Vorher fand an bestimmten Plätzen an der Ems die Schafswäsche statt, die ein besonderes Schauspiel bot. Die Schafschur erfolgte auf den Bauernhöfen und erforderte viele Helfer. Einen Teil der Wolle behielten die Schafhalter selber. Sie wurde in Heimarbeit versponnen und zu Wollsocken und warmen Kleidungsstücken verstrickt.

Durch den Verfall der Wollpreis durch Importwolle sowie durch die Kultivierung der Heideflächen ging die Zahl der Schafe nach 1860 stark zurück. Nur in den Notzeiten nach den beiden Weltkriegen stiegen die Bestände kurzfristig noch einmal an. Am längsten blieb die Schafhaltung in den Heidedörfern westlich der Ems üblich, also im Raum Ahlde, Berge, Bernte, Elbergen, Schepsdorf, Lohne und Wachendorf. Die letzten Schafherden verschwanden dort Anfang der 1950er-Jahre.