Die Wilhelmstraße

Von der Gartenstiege zum Teil des Stadtrings

Reger Autoverkehr in der Wilhelmstraße 1954

Die Lingener Wilhelmstraße bildet heute einen gut ausgebauten Abschnitt der Ringstraße um die Innenstadt. Ursprünglich war sie nur ein schmaler Weg, der offiziell „Wilhelmstiege“ genannt wurde. Vermutlich, weil über diesen Weg eine Abkürzung zur Wilhelmshöhe führte. Die Geschichte dieser Straße zeigt unsere Bilderserie.

Der alte Abzweig von der Meppener Straße in die Wilhelmstraße, um 1910

Ursprünglich verliefen nur schmale Gartenwege vom Burgtor und vom Mühlentor aus in den nördlichen Randbereich der Stadt. Die heutige Klasingstraße gab es noch nicht. Erst in der Zeit um 1890 entstanden Pläne, hier eine Art Ringstraße zu schaffen, was gleichzeitig die Ausweisung zahlreicher Bauplätze in dem weitläufigen Gartengelände ermöglichte. Etwa in der Mitte sollte die Wilhelmstraße sich kreuzen mit einer neuen Straße, die vom Marktplatz aus in ziemlich gerader Richtung in das nördliche Stadtgebiet führte: der „Sandberger Weg“ – die heutige Waldstraße.

Typisches Lingener Wohnaus der Zeit um 1900: Haus Runte in der Wilhelmstraße 6

Zunächst wurde der Bereich zwischen der Meppener Straße und der Waldstraße als Pflasterstraße mit beidseitigen Baumreihen ausgebaut. Hier standen einige der typischen kleinen Lingener Wohnhäuser: eingeschossig aus rotem Backstein, mit dem Dach zur Straße und einer Haustür in der Mitte, links und rechts ein paar Fenster und hinter dem Haus ein großer Gemüsegarten.

Das Haus von Lehrer Kleingünther, Wilhelmstraße 13
Das reformierte Pfarrhaus (links, Wilhelmstraße 15) dient heute als Verwaltung des Krankenhauses

Auf dem heutigen Krankenhausgelände errichtete die Reformierte Gemeinde kurz nach 1900 ein stattliches Wohnhaus für ihre Pastoren. Hier residierten der Superintendent Wiarda und seine Nachfolger. Daneben wohnte die Familie Kleingünther – der Mann war Konrektor der evangelischen Schule.

Links das Haus der jüdischen Familie Herz (Wilhelmstraße 21), im Hintergrund links das reformierte Pfarrhaus

An der Kreuzung zur Waldstraße stand die Gastwirtschaft Flügge, die mit einer Kolonialwarenhandlung verbunden war. Einige erinnern sich vielleicht noch an das spätere Musiklokal in diesem Hause. Schräg gegenüber wohnte der jüdische Schlachter Herz.

Der Straßenabschnitt zwischen der Waldstraße und der Burgstraße wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg dichter bebaut. Die Häuser auf der Stadtseite hatten hier alle große Gärten, die rückwärtig bis an den Stadtgraben reichten. In diesem Bereich errichteten sich in den Zwanzigerjahren mehrere Geschäftsleute aus der Innenstadt stattliche Wohnhäuser, etwa der Textilhändler Löning, der Kaufmann Herz und der Druckereibesitzer van Acken, in dessen Haus später das Emsländische Landvolk seine Geschäftsräume hatte. Heute stehen hier zumeist großzügige Stadtvillen.

Die Bürgermeistervilla (Architekt Hans Lühn, 1925)

Am Rande des Pferdemarktes wurde 1925 nach einem Entwurf des bekannten lingener Architekten Hans Lühn die städtische Bürgermeistervilla errichtet. Sie grenzte rückwärtig an eine schöne Parkanlage auf dem Gelände des heutigen Parkplatzes Alter Pferdemarkt. Ende der 1980er-Jahre entstanden hier die Tiefgarage und der Neubau der Musikschule.

Dem Pferdemarkt gegenüber standen mehrere kleine Wohnhäuser, in denen Beschäftigte der Eisenbahn und der Strafanstalt wohnten. Ganz am Ende der Straße, an der Einmündung zur Mühlenstiege, hatte die Schmiede Pott ihren Standort. Hatte sich bei einer Fahrt mit dem Pferdewagen nach Lingen mal ein Hufeisen gelockert, konnte das Pferd hier neu beschlagen werden.

Ursprünglich führte nur ein schmaler Durchlass zwischen den beiden Häusern rechts in die Wilhelmstraße

Erst in den 1970er-Jahren wurde mit dem Abbruch der Gaststätten Bunnenberg und Böll (später Elektro Weinisch) die Durchfahrt zur Wilhelmstraße so stark verbreitert, dass sie nun als Teil der Ringstraße ausgebaut werden konnte.

Erst durch den Abbruch der Gaststätte Bunnenberg (links) entstand die breite Einfahrt in die Wilhelmstraße