Büsche und Wallhecken waren die Spielplätze der Landkinder
Wie die Verhältnisse im Emsland allgemein, so haben sich auch die Lebensumstände der Kinder in den letzten hundert Jahren total verändert. Die meisten Kinder lebten vor 100 Jahren noch auf dem Lande in Haushalten, in denen die Landwirtschaft eine mehr oder weniger große Rolle spielte.
Der Umgang mit Tieren war daher für die Kinder Bestandsteil des täglichen Lebens – vom Nachwuchs bei den Haustieren bis zur Schlachtung der Nutztiere. Romantisch war so eine Hausschlachtung sicherlich nicht. Aber auch das Kühe hüten an den Nachmittagen bereitete den Kindern wenig Freude.
Haus und Hof, Wallhecken und Gebüsche bildeten den Spielplatz der Landkinder. Hier konnten sie Hütten bauen, auf Bäume klettern, Tiere beobachten und Fallen stellen. Beliebt Draußen-Spiele waren Fangen und Verstecken, Cowboy und Indianer, Räuber und Gendarm oder Schnitzeljagden.
Die Fußwege zur Schule waren in den abgelegenen Bauerschaften weit und besonders in den Wintermonaten beschwerlich. Dass die meisten Kinder in Holzschuhen liefen, machte die Sache nicht einfacher. Aber was half’s – Schulbusse waren damals noch unbekannt und die Taxi-Mama gab es mangels Auto auch noch nicht. Ein eigenes Fahrrad war der Traum jedes Kindes. Oft wurden sie aus alten Fahrradteilen zusammengebaut.
Die Kinder in der Lingener Innenstadt hatten wegen der dichten Bebauung und des starken Autoverkehrs kaum Spielmöglichkeiten. Spielplätze mit Bewegungs- und Klettergeräten waren Mangelware, aber die Hügel der Wilhelmshöhe und die zahlreichen Gärten im Umfeld der Stadt boten Raum für viele Aktivitäten. In manchen Gärten gab es Kinderecken mit Schaukel, Wippe und Sandkasten. Auch auf den Schulhöfen waren solche Spielgeräte aufgebaut.
Der Winter schränkte die Spielmöglichkeiten stark ein, denn kein Kind in Lingen besaß vor 100 Jahren ein eigenes Kinderzimmer. So hielten sich die Kinder an den Wintertagen in der geheizten Küche oder der warmen Stube bei den Erwachsenen auf. Die Mädchen spielten mit Puppen, Puppenstuben und Puppenküchen, mit denen sie auf ihre spätere Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet wurden.
Die Jungen spielten mit Modellautos und Spielzeugeisenbahnen, wenn ihre Eltern sich das leisten Konnten. Auch Zinnsoldaten und Kriegsspielzeuge waren bei den Jungen sehr beliebt. In vielen Familien wurden Spielzeuge wie etwa Schaukelpferde und Steckenpferde, Bauernhöfe mit Holztieren oder Puppenhäuser selber gebastelt. Das war gleichzeitig ein Zeitvertreib für die Väter an den langen Winterabenden.
Bei der Freizeitgestaltung blieb den Kindern Sommers wie Winters nicht allzu viel Freiraum, denn die Kinder mussten schon früh Aufgaben übernehmen und ihre Eltern bei der Arbeit in Haus und Hof unterstützen. Das galt auch für die Gartenarbeit und das Beaufsichtigen der jüngeren Geschwister oder Nachbarkinder. Vergleichsweise beliebt war hingegen die Erledigung von Einkäufen und Botengängen. Denn war man den Blicken der Eltern erst einmal entschwunden, war der Weg zu Freunden oder Spielkameraden nicht weit. Verabreden per Handy braucht man sich nirgendwo, sondern konnte einfach hingehen. Das ist heute schon fast undenkbar.