Die Ostseite des Marktplatzes
Die Ostseite des Marktplatzes hat durch die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbau ihr Aussehen total verändert. Aus dem kleinteilig bebauten Häuserblock zwischen dem Markt und der Burgstraße wurde ein einheitlicher Baukörper im Stil der 50er Jahre. Wir die hier ganze Häuserzeile in ihrem Wandel über gut hundert Jahre vor.
Ursprünglich standen zwischen Marktplatz und Burgstraße mehrere Bürgerhäuser, die mit ihren Giebeln auf die Nord- bzw. Südseite dieses Baublocks ausgerichtet waren. Im Zentrum des Baublock befand sich ein kleiner Innenhof.
Den Anfang der Bebauung zum Markt machte links das Stammhaus der alteingesessenen Kaufmannsfamilie Löning, heute Brautmoden Hanneken. Hier wohnten bis 1899 die unverheirateten Brüder Wessel und Fritz Löning, die eine Kolonialwarenhandlung und eine Gastwirtschaft betrieben. Sie waren bekannt für ihren einfachen Lebensstil, liefen meistens in Holzschuhen und hielten sich überwiegend Pfeife rauchend in der großen Küche am Herdfeuer auf. Unter der Decke hingen zum Räuchern die Schinken und der Fußboden wurde mit weißem Sand gescheuert.
Schon im 18. Jahrhundert hatte die Familie Löning das dahinterliegende Gebäude erworben. 1910 wurde dieses Haus umgebaut und erheblich erweitert zu einem der größten Kaufhäuser der Stadt.
An der Stelle des späteren Cafés Heileman stand um 1900 noch ein kleines Fachwerkhaus, umgeben von den Neben- und Hintergebäuden des Löningschen Anwesens. Dies war damals nicht unbedingt die repräsentative Seite des Marktplatzes.
Daher entstand kurz vor 1900 beim Neubau des Kaufhauses Wünsch auf der Ecke zur Burgstraße die Idee, zum Marktplatz hin eine durchgehende Arkade zu schaffen. Architektonischer Höhepunkt dieses Bauwerks im wahrsten Sinnen des Wortes war der vielbestaunte Eckturm bei Wünsch.
Von dort reichte die Bogenreihe bis zum neuen Feinkostgeschäft von Tiedemann am Markt.
1934 entstand hier zum Markt hin ein großer zweigeschossiger Neubau, in dem links die neue Anker-Apotheke und rechts das Feinkostgeschäft Tiedemann ihre Räume bezogen.
Das Bauwerk war im Stil des Expressionismus mit abgewinkelten Erkern und abgestuften Giebeln gestaltet.
Zehn Jahre später wurde der gesamte Baublock dann während der schweren Straßenkämpfe beim Durchzug der Front völlig zerstört. Die ausgebrannten Ruinen wurden niedergerissen und jahrelang lag hier ein Trümmergrundstück.
Einige Stadtplaner waren damals der Meinung, diese Häuser sollten am besten gar nicht wieder aufgebaut werden, um stattdessen den Straßenraum für den zunehmenden Autoverkehr zu erweitern. Doch am Ende beschloss der Rat Anfang 1947, die Fläche in verkleinerter Form neu zu bebauen. Die Grundstücke wurden neu aufgeteilt und der gesamte Baublock nach einem einheitlichen Plan als „Riegelbau“ neu aufgeführt.
Der Entwurf setzte sich von den Vorgängergebäuden deutlich ab, auf Giebel und Türmchen wurde verzichtet. Ergebnis war ein Neubau in dem durchaus eleganten, aber eben auch etwas langweiligen Stil der 50er-Jahre.
Vom Marktplatz aus ist dieses typisches Bauwerk der Fünfziger Jahre heute durch eine Hochterrasse und hohe Bäume verdeckt.
Eine Adresse am Markt ist immer attraktiv und so zählten zur Ostseite des Marktplatzes noch zwei weitere Gebäude, die man heute eher der Marienstraße zuordnen würde: die alte Marktapotheke auf der Ecke zur Burgstraße und der Neubau der Sparkasse. Dort stand seit dem 18. Jahrhundert ein schmucker Adelshof, der später als Kreissparkasse Lingen diente. In den 60er-Jahren wurde dieses Gebäude abgerissen und ein konsequent moderner Neubau errichtet. Die Planer waren begeistert, das Publikum reagierte zurückhaltend. Der derzeitige Neubau an gleicher Stelle wird sicherlich mehr Anklang finden.