„Maigesetze“ von 1873 im „Kulturkampf“

Vor 150 Jahr Streit zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche

Reichskanzler Bismarck wagte im „Kulturkampf“ ab 1871den Konflikt mit der katholischen Kirche Zigarrenbanderolenbild auf einem Tablett, Emslandmuseum Lingen, Inv. Nr. 3103

Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 versuchte Papst Pius durch Weisungen aus Rom, die Stellung der katholischen Kirche im neuen Deutschen Kaiserreich zu stärken und an sich zu binden. Er traf auf den Widerstand des Reichskanzlers Otto von Bismarcks. Mit der Aufhebung der katholischen Abteilung im preußischen Kulturministerium hatte 1871 die Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche begonnen, der sogenannte „Kulturkampf“.

Bald folgte der „Kanzelparagraph“. Er verbot den Geistlichen politische Äußerungen von der Kanzel herab. Im Jahr darauf kam ein neues Schulgesetz, das den Einfluss der Kirche auf die Schulen stark einschränken sollte. Gleichzeitig verbot Preußen den Jesuitenorden auf seinem Staatsgebiet und brach die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan ab.

1873 und 1873 erreichte der sogenannte „Kulturkampf“ zwischen Staat und Kirche mit den sogenannten „Maigesetzen“ seinen Höhepunkt. Der Staat wollte jetzt massiven Einfluss auf rein kirchliche Angelegenheiten nehmen, etwa bei der Genehmigung und Besetzung von kirchlichen Stellen. Damit stieß Reichskanzler Bismarck auf den entschiedenen Widerstand der Kirche.

Eine weitere staatliche Maßnahme war 1875 die Einführung der „Zivilehe“, die nicht in der Kirche, sondern vor dem Standesamt geschlossen werden musste und allein rechtsverbindlich war. Das im gleichen Jahr erlassene „Brotkorbgesetz“ ermöglichte des Sperrung der Gehälter von Geistlichen, die sich weigerten, die neuen staatlichen Gesetze anzuerkennen.

Besonders betroffen waren der frühere Bischof von Osnabrück und damalige Erzbischof von Köln, Paulus Melchers sowie die Bischöfe von Münster (Johann Bernhard Brinkmann) und Paderborn (Konrad Martin). Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt und mussten längere Zeit im ausländischen Exil verbringen. Im Bistum Osnabrück durfte der Bischofsstuhl nach dem Tod von Bischof Johannes Heinrich Beckmann (1878) erst 1882 neu besetzt werden (mit Bischof Bernhard Höting). Viele Pfarrstellen blieben jahrelang unbesetzt.

Papst Pius XIII einigte sich mit dem Preußischen Staat

Seit 1886 lenkte der Staat allmählich ein. Im preußischen Parlament vertrat vor allem die katholische Zentrumspartei und Ludwig Windthorst die katholischen Interessen.

Ludwig Windthorst, Gegenspieler Bismarcks im Kulturkampf

Windthorst wurde 1851 der erste katholische Minister im Königreich Hannover und erwarb sich große Verdienste um die Wiedereinrichtung des Bistums Osnabrück im Jahre 1858. 1866 vereinnahmte Preußen gewaltsam das Königreich Hannover. Daraufhin wählte das Emsland Windthorst 1867 als Vertreter Hannoverischer Rechte und katholischer Interessen in den Norddeutschen Landtag und das Preußische Abgeordnetenhaus.

Im Kulturkampf wurde Windthorst als unangefochtener Führer der 1870/1871 gegründeten katholischen Zentrumspartei zum wichtigsten Gegenspieler Bismarcks. Dies verhalf ihm zu einem außergewöhnlichen Bekanntheitsgrad in ganz Deutschland. Als taktisch meisterhafter Politiker verteidigte er in Kulturkampf die Rechte der Katholiken und anderer Minderheiten in Preußen.

1878 löste Papst Leo XIII seinen Vorgänger Pius IX ab. Gegen den Willen der Zentrumspartei verhandelte der mit Bismarck und erreicht durch deutliche Zugeständnisse an den Preußischen Staat ein Ende des Kulturkampfes.

Die Chronik der Familie Oosthuys berichtet 1873 über den Kulturkampf

Die Lingener Arzt Dr. Oosthuys berichtet hierüber in seiner Familienchronik: „Anno 1873 wurde in der Landes-Cammer zu Berlin ein Gesetz ausgearbeitet, wodurch die Kirchen fast gänzlich ihr Ansehen und Macht einbüßten. Sie werden förmlich unter den Staat gestellt. Excommunicationen dürfen ohne Genehmigung des Staates nicht vorgenommen werden. Nicht allein in Preußen, in der Schweiz, selbst in Amerika, in diesem Freistaate, arbeiten auf alle mögliche Weise die Freimaurer, die Liberalen, Atheisten, gegen die katholische Kirche. Der Uranfang des Zerfalls eines Staates ist Unglaube. Ein treffliches Beispiel sehen wir in Athen, welches in seiner Blindheit den Mann des Ideals einer reinen Seele mißachtete, da er doch nur besorgt war in der Sache.

Notizen über den „Kulturkampf“ in der Familienchronik Oosthuys

An seiner Not erstark Athen, wie er es vorher gesagt, so geschah. Athen sank durch seine Laster und Üppigkeit in Nichts zurück. Ähnlich wird es dem preußischen Staate ergehen. Harmlose, unschuldige Menschen, die sich freiwillig hier ihren blutenden Mitbrüdern im Kriege aus Liebe zum Heilande aufopferten, werden aus dem Lande gewiesen. Selbst Ordensschwestern, wie die des Sacre Coeur, werden aus dem Lande gewiesen weil gesagt wird, daß sie Staats-gefährlich sein sollen. Frauenzimmer, die beten und arbeiten vom frühen Morgen bis zum späten Abende. Weshalb führt man nicht lieber Controlle über die schlechten Frauenzimmer, welche Krankheiten und Ungeziefer unter die Menschen austheilen aus vorbereitung wodurch nicht selten ganze Familien unglücklich werden. Man stelle in den großen Städten lieber eine geheime Polizewi für solche schlechten Dirnen an, die diese häßlichen Dämmerungs-Naturisten einfangen. Es ist gegen alles Recht und Ordnung. Der Staat kann bei solchem Handeln nicht bestehen.

Notiz über die „Maigesetze“ von 1873 in der Chronik Oosthuys

Anno 1873 im Mai wurden Gesetze gegen die katholische Kirche in Preußen gemacht, durch die den Oberhirten verboten wurde, Geistliche anzustellen, ohne es vorher der Regierung angezeigt zu haben.

In der Landes-Cammer in Berlin bildete der frühere Hannoversche Minister Windhorst eine Centrums-Fraktion. Dieselbe bestand aus tüchtigen Männern. Einige mögen hier genannt sein: Windhorst, Reichensperger, Mallinckrodt, v. Schorlemer-Alst etc. Doch sie konnten gegen die überwiegende Liberale Partei nichts ausrichten. Auch in Österreich wurden vom Kaiser Franz Joseph Kirchengesetze genehmigt, fast lautend wie in Preußen. In Wesel wurde der Bischof Martin von Paderborn festgesetzt. In Warendorf der Bischof von Münster im Juni und Mai 1875.“