Legendäre Bahnstrecke im Südlichen Emsland
Vor gut 150 Jahren entstand im östlichen Teil des damaligen Landkreises Lingen eine neue Eisenbahnlinie, mit der Spelle, Beesten und Freren einen Bahnanschluss erhielten. Wir lassen die Stationen von damals noch einmal Revue passieren.
Ein geflügeltes Wort im südlichen Emsland bezeichnet die legendäre Bahnstrecke als „Spelle-Beesten-Genua, Venedig und zurück“. Jeder in der Region wusste früher, dass damit die Strecke von Rheine nach Quakenbrück gemeint war.
Vermutlich wollten die Zeitgenossen damit zum Ausdruck bringen, dass man mit der Eisenbahn nicht nur die Kleinstadt Freren, sondern quasi die ganze große weite Welt erreichen konnte.
Geplant wurde die Trasse einst als Teil einer neuen Güterzugverbindung zwischen der Industriestadt Oberhausen und dem Marinestützpunkt Wilhelmshaven. Die kleinen Bahnstationen entlang der Strecke, die mit schnurgerader Trassenführung vorwiegend durch ländliche Gebiete führte, spielten bei der Planung überhaupt keine Rolle. Doch für die entsprechenden Orte brachte der Bahnanschluss einen unschlagbaren wirtschaftlichen Vorteil.
Örtliche Handwerksbetriebe wie Krone oder Rekers in Spelle stiegen nicht zuletzt dank der Eisenbahn zu Industrieunternehmen auf und platzierten ihre Fabrikgebäude links und rechts der Bahnstrecke.
Auch in Beesten und Freren zog der Bahnhof verschiedene Gewerbebetriebe an und selbst der heutige Hafen Venhaus nutzt den bis heute verbliebenen Teil der Strecke zwischen Rheine und Spelle als Gleisanschluss.
Bei der Eröffnung der Strecke 1879 waren die wichtigsten Transportgüter Steinkohle und Kunstdünger für den ländlichen Raum sowie in der Gegenrichtung landwirtschaftliche Produkte und Grubenholz aus den emsländischen Forsten für das Ruhrgebiet.
Beim Personenverkehr gab es mancherlei Schwierigkeiten, denn spätestens in Rheine mussten die Fahrgäste in Richtung Münster, Osnabrück oder Lingen umsteigen und mit dem Wechsel der Bahnsteige waren viele Dorfbewohner damals noch nicht so vertraut. Mitgeführte Ferkel und Hühner für den Markt in Rheine sorgten für Stimmung im Abteil und wenn der Schaffner nur hochdeutsch sprach, war die Sprachbarriere für die meisten Fahrgäste unüberwindlich.
Die von einer Dampflok angeführten Züge zwischen Rheine und Quakenbrück nannte man spöttelnd den „rasenden Niedersachsen“. Der Frerener Zeitungsredakteur Bernhard Teismann hat viele Begebenheiten aus der damaligen Eisenbahn in seinen „Döhnkes aus dem heimatlichen Schatzkästlein“ festgehalten. Folgt man Teismann, dann nutze auch der sehr kräftig gebaute, aber etwas einfältige Knecht Herm aus Beesten gelegentlich den Zug nach Rheine. Er war bekannt dafür, dass er hart im Nehmen war. Als sein Gefährte Bernd einmal nicht pünktlich zur Abfahrt erschien, wollte Herm den Zug zum Warten zwingen und hielt kurzerhand die Waggontür offen. Der Schaffner kam und versuchte drei Mal, die Tür mit einem kräftigen Schwung zu schließen. Doch da war er bei Herm beim Richtigen gelandet. „Solange ich den Daumen dazwischen halte, versuch Du ruhig zuzuschlagen“, entgegnete dieser dem Bahnbeamten. Und da kam Bernd glücklicherweise auch schon auf den Bahnsteig gerannt.
1969 wurde der Personenverkehr auf der Strecke Rheine-Quakenbrück eingestellt. Ende der 70er-Jahre gab es Pläne, die schnurgerade Trasse als Teststrecke für Hochgeschwindigkeitszüge zu nutzen, doch daraus wurde am Ende nichts.
Die Bahn hob 1992 die Verladestation in Freren auf und es blieb nur der Abschnitt von Rheine bis Spelle für den Güterverkehr in Betrieb. Die Strecke zwischen Spelle und Beesten ist mittlerweile zu einem Radweg umgebaut. Eine Weiterführung der Fahrradroute bis Freren ist geplant.