Milchmann und Bäckerwagen

Lebensmittel und Neuigkeiten von Haus zu Haus

Der Milchmann mit einer Kundin an der Mohrmannstraße

Viele Haushalte in den Wohnvierteln der Städte wurden früher von Bäcker- und Milchwagen mit frischen Lebensmitteln versorgt. Sie gehörten zum gewohnten Straßenbild und neben Brot- und Milchprodukten brachten sie auch Neuigkeiten von Haus zu Haus.

Die Milchwagen vor der Lingener Molkerei an der Kaiserstraße (um 1950)

Früh morgens trafen sich die Milchhändler mit ihren Pferdewagen vor der Rampe der Molkerei an der Lingener Kaiserstraße. Dort wurden die Wagen mit gekühlter Frischmilch, Sahne, Butter und anderen Milchprodukten bestückt. Im Sommer war wegen ihres erfrischenden Geschmacks auch Buttermilch sehr beliebt.

Milchwagenfahrer und Molkereiangestellte auf der Rampe der Molkerei Lingen (um 1950)

Von der Kaiserstraße aus schwärmten die Milchwagen in das Stadtgebiet und in die Ortsteile aus. Feste Bezirke gab es nicht – es galten die ungeschriebenen Grenzen der Nachbarschaft und man wollte dem Kollegen nicht in die Quere kommen.

Der Milchwagen von Milchmann Lukas in Lingen (um 1930)

An heißen Sommertagen konnte es vorkommen, dass die Milch unterwegs sauer wurde. Dann war der Verkauf sofort beendet und die letzten Kunden gingen an diesem Tage leer aus. Im Winter mussten die Milchwagen bei Wind und Wetter ihre Runden drehen, denn die Frischmilch wurde in den Haushalten ja benötigt.

Der Milchwagen von Hubert Kemmer vor der Gaststätte Ricke/Kiesbergstraße (um 1970)
Milchmann Hubert Kemmer unterwegs auf der Kiesbergstraße (um 1970)
Milchmann Hubert Kemmer auf der Kiesbergstraße (um 1970)

Mit einer Handglocke oder anderen Signalgeräten kündigten die Milchhändler sich in den Straßen an. Dann kamen die Hausfrauen auf die Straße und taten ihre Einkaufswünsche kund. Bezahlt wurde in bar oder es wurde angeschrieben und einmal wöchentlich abgerechnet.

Der Milchwagen von August Merswolken in der Kanalgasse in Lingen (um 1950)

Die Milchhändler waren selbständige Kaufleute, aber reich werden konnte man mit diesem Gewerbe nicht. Manche hatten nebenbei noch eine kleine Landwirtschaft, denn ein Pferd für den Milchwagen mussten sie ja ohnehin halten.

Der Milchwagen von Evers mit Milchmann ‚Opa Biehler‘ in Freren

Auch zahlreiche Bäckerwagen waren mit Brot und Backwaren in der Stadt und in den Bauerschaften unterwegs. Ein dichtes Netz von Backshops und Bäckereifilialen kannte man damals noch nicht und längst nicht in jedem Ortsteil gab es eine eigene Bäckerei.

Der Bäckerwagen von Aloys Klaas aus Laxten

Den letzten Bäckerwagen in Lingen fuhr Bäcker Klaas von der Lengericher Straße mit seinem Pferd durch das Lingener Stadtgebiet. Mit dem zunehmenden Autoverkehr wurde dies allerdings immer gefährlicher. Der Klaas’sche Bäckerwagen steht heute im Heimathaus Laxten, denn in dem dortigen Bauernhaus hatte Klaas auch lange sein Pferd untergestellt.

August Lampen aus Handrup fährt mit dem Verkaufsfahrrad von Haus zu Haus

Auch andere Händler fuhren mit ihren Wagen von Haus zu Haus. Bürsten und Besen, Seifen und Scheuermittel, Fette und Öle wurden häufig an der Haustür gekauft. Näh- und Handarbeitszubehör waren eine weitere Domäne der fahrenden Händler.

Die Korbhändler kommt in das Dorf

Ab und zu zog auch ein Korbflechter mit seinem hoch bepackten Wagen voller Körbe durch die Straßen und Dörfer. Haushaltsgeräte aus Plastik kannte man damals noch nicht. Wäschekörbe und Teppichklopfer, Kartoffelkörbe und andere Behälter wurden aus Weidenzweigen geflochten.

Milchmann Merswolken mit dem ‚Milchbulli‘ bei einer Kundin in Lingen

Die meisten Frauen waren früher nicht berufstätig. Sie kümmerten sich als Hausfrauen um den Haushalt, die zumeist zahlreichen Kinder und den Garten. Oft waren sie wegen der kleinen Kinder oder anderer häuslicher Pflichten zuhause nicht abkömmlich und konnten nicht jeden Tag zum Einkaufen ins Geschäft gehen. Da kamen der Milchmann und der Bäckerwagen für die tägliche Bedarf Versorgung mit leicht verderblichen Lebensmitteln wie gerufen.

Der Bäckerwagen vor der Bäckerei Leuges in Andervenne

Mit der Verbreitung der Kühlschränke und dem Aufkommen der Supermärkte ging der Bedarf zur Versorgung an der Haustür stetig zurück und viele Milchhändler stellten ihr Geschäft ein. Heute würden sie in den meisten Wohngebieten tagsüber ohnehin nur ein paar Rentner treffen. Und die neuesten Nachrichten verbreitet heute nicht mehr der Milchmann, sondern das Internet.