Lingen im Ersten Weltkrieg

Hunger und Tote

Kriegsdenkmal vor dem Rathaus im Winter 1916/1917

Lingen und das Emsland waren im Ersten Weltkrieg (1914-1918) kein unmittelbarer Kriegsschauplatz. Hier spielten sich keine Kämpfe ab, aber die Folgen des „Abnutzungskrieges“ spürte die Bevölkerung bald auch in der Heimat.

Ausmarsch der Soldaten beim Kriegsbeginn 1914 (Lookenstraße)

Lingen war im Kaiserreich keine Garnisonsstadt, aber der Sitz eines militärischen Bezirkskommandos. Beim Kriegsbeginn mobilisierten die Militärbehörden die Reservisten.

Lingener Soldaten im Fronteinsatz

Die Männer eilten zu ihren Einheiten und kamen dann an der Westfront gegen Frankreich und Belgien oder an der Ostfront und auf dem Balkan gegen das Zarenreich und seine Verbündeten zum Einsatz.

Der Lingener Landsturm und Holländische Zöllner an der Grenze

Der Lingener „Landsturm“ mit den älteren Reservisten bewachte die Grenze zu den Niederlanden, die sich im Ersten Weltkrieg neutral verhielten. Dort blieb alles friedlich.

Die Lingener Sanitätskolonne bei Kriegsbeginn 1914
Ein Transportzu mit Verwundeten trifft in Lingen ein

Auch im Emsland bejubelte die Bevölkerung den Kriegsausbruch und den Abmarsch der Soldaten. Doch schon bald trafen die ersten Transportzüge mit Verwundeten am Lingener Bahnhof ein.

Lazarett im Hotel Nave (heute Parkhotel)
Lazarett im Saal des Hotels Nave (heute Parkhotel)

Die Saalbetriebe wurden geschlossen und in verschiedenen Sälen der Stadt richtete die Militärverwaltung Lazarette für Verwundete ein.

Schlange stehen vor einer Lebensmittelausgabe auf dem Marktplatz

Weil die englische Marine Deutschland und seine Verbündeten vom Nachschub aus Übersee abgeschnitten hatte, machte sich bald ein großer Mangel an Importgütern bemerkbar. Die Regierung beschloss, an erster Stelle das Militär mit Mangelgütern zu versorgen. Die Bevölkerung erhielt nur noch kleine Mengen auf Bezugsschein. Damit begann die Zeit der Mangelwirtschaft, die im Laufe des Krieges immer dramatischer wurde. Bald gab es z.B. kein Gummi und damit keine Fahrradreifen mehr. Der damals wichtigste Brennstoff, Kohle zum Heizen, wurde knapp und in den Kriegswintern musste die Bevölkerung frieren, denn Holz und Torf standen nicht ausreichend zur Verfügung.

Der Schmuggel an Grenze zu Holland blühte

Wegen fehlender Importe und des Mangels an Kunstdünger und Arbeitskräften in der Landwirtschaft wurden bald auch die Lebensmittel knapp. Die Zuteilungen für die Zivilbevölkerung wurden immer geringer und viele Menschen hungerten. Viele versuchten zu improvisieren, bauten selber Lebensmittel an oder tauschten auf dem Schwarzmarkt Nahrungsmittel ein. Der Schmuggel von Mangelgütern aus den Niederlanden blühte.

Kriegsgefangene in Freren

Die Einberufung der Männer zum Kriegsdienst führte zu einem großen Arbeitskräftemangel. Als Ersatz wurden in großem Umfang Kriegsgefangene eingesetzt, besonders in der Landwirtschaft.

Viele Soldaten aus dem Eisenbahnwerk wurden zum Kriegsdienst einberufen

Beim Eisenbahnwerk herrschte während des Krieges Hochbetrieb, denn die Züge waren das wichtigste Transportmittel für die Kriegsführung und für die Kriegswirtschaft. Viele Eisenbahnarbeiter waren aber selber im Kriegseinsatz und fehlten bei der Reparatur von Loks und Waggons. Um die Leistung des Werkes zu steigern, wurde während des Krieges die große Halle 2 für die Lokreparatur im Fließbandverfahren gebaut.

Verwundete im Lazarett Wilhelmshöhe in Lingen

Durch die Kriegsführung mit industriellen Waffen waren die Verluste an den Fronten enorm. Die Listen mit den Toten und Verwundeten wurden immer länger. Bald hatten die meisten Familien Kriegsopfer zu beklagen. Weil ein Transport der vielen Leichen in die Heimatorte unmöglich war, entstanden hinter den Fronten riesige Kriegsgräberfriedhöfe, besonders in Frankreich und an der Flandernfront in Belgien.

An der Westfront in Frankreich

Die Kriegspropaganda lief unterdessen auf vollen Touren. Sie warb um Kriegsanleihen für die Rüstungsindustrie und Spenden für die Hinterbliebenen der Kriegstoten, die vom Staat mit einer schmalen Rente abgespeist wurden. Im Winter 1917 gab es eine deutschlandweite Spendenaktion, bei der militärische Symbole gegen eine Geldspende mit Nägeln und Plaketten beschlagen werden konnten. Das entsprechende Denkmal mit einer Darstellung des Lingener Stadtwappens mit dem Eisernen Kreuz befindet sich bis heute im Alten Rathaus.